1 - Schatten im Wasser
verlieren.« Sie hielt sich ihren Seidenschal vor den Mund. »Man sollte annehmen, dass die Regierung etwas gegen diesen Schmutz tut, aber sie bauen sich lieber Prachthäuser.
Weiter unten in den Lagerhäusern und im Tronk sieht es nicht besser aus.
Kakerlaken und Rattenrudel überall. Widerlich.«
Catherine machte einen Satz, als eine Ratte unter ihren Rock huschte.
Sie trat zu, die Ratte quietschte und flitzte davon. »Tronk?«
»Unser Gefängnis. Es ist meistens voll mit dem Gesindel, das von den Schiffen kommt. Al diese schrecklichen Ausländer überlaufen unser Land.
Bringen nur Dreck und Krankheiten. Ich weiß gar nicht, wie das noch werden soll. Früher war hier alles anders.« Sie wedelte heftig mit einem Schalzipfel. »Lassen Sie uns heimgehen. Hier gibt es nichts zu sehen außer Kneipen, die mit Bierdunst und Betrunkenen die Umgebung verpesten.«
In der Adderley Street kaufte Catherine auf Johanns Hinweis hin und fachkundig beraten von Elizabeth auch noch Bettwäsche, Nähzeug, Seife und ähnlich nützliche Dinge. Sie ließ alles in Kisten einpacken, und Elizabeth wies ihren Kutscher an, diese in das kleine Haus in die Long Street bringen, das sie dem jungen Paar für die Zeit nach der Hochzeit zur Verfügung gestellt
hatten, bis dieses sich einschiffen würde.
*
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In der milden Sonne eines klaren Augusttages heirateten Catherine le Roux und Johann Steinach in der katholischen Kirche von Kapstadt. Die Simmons' richteten ihr die Hochzeit aus. Catherine, im seidenen Hochzeitskleid ihrer Mutter, schwebte wie ein perlmuttern schimmernder Schmetterling am Arm von Adam Simmons zum Altar. Wilma war ihre Brautjungfer, und die kleinen Mädchen der Simmons' streuten Blumen. Die Zeremonie war schön und schlicht.
Der Braut strömten die Tränen aus den Augen, und alle hielten sie für Freudentränen. Sie aber weinte um Grandpere, ihren Vater und ihre Mutter und darum, dass sie diesen Augenblick ohne sie sein musste. Doch als sie Arm in Arm mit Johann aus der Kirche trat, hatte der Wind nachgelassen, und über ihnen wölbte sich der strahlende afrikanische Frühlingshimmel.
Ihre Tränen versiegten, und sie nahm freudig mit ihrem Mann die Glückwünsche der Gäste entgegen. Als besonderes Geschenk hatte Elizabeth Simmons einen Fotografen bestellt, und die ganze Hoch-zeitsgesellschaft hielt auf sein Kommando angestrengt die Luft an, während er unter seinem schwarzen Tuch verschwand.
Als sie zur Kutsche schritten, streckte Catherine ihre Hand aus und betrachtete den Ring, den ihr Johann an den Finger gesteckt hatte. Er war breit und schwer, mit zarten Ziselierungen und glänzte ganz ungemein. »Du hast tatsächlich das Gold, aus dem unsere Eheringe geschmiedet sind, selbst gefunden, und diesen entzückenden Ring auch? Wie aufregend!«
Sie zog den schmalen, mit rosa schimmernden Perlen besetzten Goldreif vom Finger. »L. de Vila Flor«, buchstabierte sie das Monogramm, das abgeschliffen und kaum noch lesbar war. »Du sagtest, er lag ganz in der Nähe des Goldes im Wasser?«
»Ja, und zusätzlich fand ich noch einen weiteren Ring. Er war mit einem besonders großen Smaragd verziert. Wunderschön war er und sicherlich wertvoll, aber er wurde mir, wie das übrige Gold auch, gestohlen. Es ist eine lange Geschichte, ich erzähle sie dir später einmal. Jetzt lass uns feiern.«
»Wem der Ring wohl einmal gehörte?«, murmelte sie. »De Vila Flor ...
de Vila Flor ...«, wiederholte sie mehr für sich selbst. »Es 174
ist mir, als hätte ich diesen oder einen ähnlich klingenden Namen schon irgendwo gelesen ...« Doch dann schüttelte sie den Kopf. »Ich komme einfach nicht drauf.« Sie war sprachlos gewesen, als er ihr von seinem Fund erzählt hatte. Welche Schätze gab es in diesem Land. Welche Aussichten.
Johann hielt seiner frisch angetrauten Braut den Schlag des blumengeschmückten Gefährts auf und half ihr, das Brautkleid über den Sitz zu breiten. Während sie sich setzte, sah sie sich um. »Ich kann Sicelo nirgendwo entdecken. Warum ist er nicht gekommen?«
»Er ist kein Christ, der Missionar in Zululand arbeitet noch daran«, erklärte ihr Johann. »Es sieht aber nicht wirklich viel versprechend aus.
Sicelo kann nicht verstehen, dass Christus sich nicht gewehrt hat, als sie ihn ans Kreuz schlugen, und treibt den Missionar zum Wahnsinn mit seinen Vorbehalten.« Er verschwieg ihr, dass sein schwarzer Freund mit seiner Wahl, sie als Frau zu nehmen, überhaupt nicht einverstanden war. Bis zuletzt
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