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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Leoparden gesehen«, erläuterte er. Seine Bemerkung sollte wohl nur dazu dienen,
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    den Leuten klar zu machen, warum sie sich nicht vom Strand entfernen sollten, bewirkte jedoch, dass aufgeregtes Geschrei einsetzte. Die viktorianischen Fräulein drängten sich schreckensbleich aneinander und empfahlen laut ihre Seelen Gott, wohl felsenfest von ihrem bevorstehenden Ende überzeugt. Catherine sah gereizt zu ihnen hinüber. Welchen Zweck hatte Jammern, wenn es galt, zu handeln?
    Nach und nach wurden alle auf diese Weise hinüber an Land gebracht.
    Als Catherine ihren nackten Fuß auf den sandigen Streifen setzte, der den vom Hang herunterwuchernden Küstenurwald zum Meer abgrenzte, knickten ihr die Knie einfach weg, und sie landete im seichten Wasser. Sie war zu müde, um sich darüber aufzuregen, ihr Kleid war ohnehin tropfnass.
    Kein Gefühl bewegte sie in diesem besonderen Moment ihres Lebens. Auf Händen und Füßen kroch sie höher auf trockenen Sand, betrat auf diese Weise den Boden ihrer neuen Heimat. Sie streckte sich aus und wartete, dass Johann, Dan de Vil iers und Sicelo nachkommen würden. Es dauerte lange, bevor erst Johann mit einer ihrer Taschen und dann der Schlangenfänger mit der anderen mit dem Bootsmannsstuhl das Land erreichten, doch Sicelo kam nicht.
    »Hast du ihn gesehen?«, fragte Johann seinen Freund.
    »Nicht seit gestern Abend«, antwortete der.
    Johann biss sich auf die Lippen, und Catherine wurde klar, dass seine Beziehung zu dem Zulu doch tiefer ging, als sie angenommen hatte. Sie legte ihm tröstend die Hand auf den Arm. »Vermutlich ist er über Bord gesprungen und an einer anderen Stelle an Land geschwommen. Mach dir also keine zu großen Sorgen. Er kann doch schwimmen?«
    »Nein, kann er nicht. Der würde untergehen wie ein Stein.« Ruhelos lief Johann am Strand auf und ab, starrte über die Wasseroberfläche und den Strand am Point, einer spitzen, schmalen Landzunge, die etwas weniger als eine halbe Meile von ihrem Standpunkt entfernt auf der anderen Seite der Hafeneinfahrt lag. Es war bereits später Nachmittag, und das Licht wurde bläulicher. Bald würde er nichts mehr erkennen können. Sein Suchen war 217
    vergebens. Sicelo blieb verschwunden, und der Schmerz hätte ihn nicht schlimmer treffen können, wäre es sein eigener Bruder gewesen, den er verloren hatte.
    Die Kinder weinten vor Kälte und Hunger. Doch wenigstens hatte der Regen aufgehört, und der Wind war schwächer geworden, hatte von Nordost auf Südost gedreht. Einige der Einwanderer sammelten Treibholz und zündeten es an, wärmten sich an den stark rauchenden Feuern und versuchten, ihre Kleidung zu trocknen.
    Auch Johann und Dan schichteten ein Feuer auf. Müde lehnte Catherine ihren Rücken an Johanns Brust und schmiegte sich fest in seine Arme.
    Schnell wurde es dunkel, der Mond ging auf, fliegende Wolkenschatten malten gespenstische Muster in den Sand. Seine Körperwärme entspannte sie, ihr fielen die Augen zu, und ihr Kopf sank zurück. Das Murmeln der beiden Männer lullte sie in den Schlaf. Endlich streckte sich auch Dan de Vil- liers lang aus und fing an zu schnarchen. Johann döste nur; er lauschte mit wachsender Besorgnis dem Ächzen des Seglers. Das Schreckgespenst des Verlustes seiner gesamten Habe hielt ihn wach. Er sehnte den Morgen herbei und hoffte, dass die White Cloud bis dahin durchhalten würde.
    Der Tag begann in grauem, kaltem Licht. Düstere Wolken mit schweren Regenbäuchen hingen über dem Bluff, aber es war trocken. Johann starrte sorgenvoll übers Meer. Die White Cloud hatte während der Nacht leichte Schlagseite bekommen, und er meinte zu sehen, dass sie unterhalb der Wasserlinie ein großes Loch hatte. Im Meer trieben Holzbalken, doch die konnten auch von dem Möbelverschlag oder den zerstörten Aufbauten herrühren.
    »Ich hoffe, Cato kommt bald in die Püschen und schickt die Boote, damit die Fracht gelöscht wird«, knurrte er. Seine Befürchtung, dass zumindest ein Teil bereits im Ozean schwamm, behielt er für sich.
    Dan setzte sich stöhnend auf. »Gott, bin ich steif. Ich werde alt, lieber Freund, ich kann schon den Kerl mit der Sichel rasseln hören.«
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    »Sauf weniger, dann geht's dir besser«, antwortete sein wenig mitfühlender Freund lakonisch. Momentan galt seine Sorge nur dem Zustand des Schiffes und dem Schicksal Sicelos.
    Mehrere Passagiere wanderten niedergeschlagen am Wasserrand entlang und suchten zwischen dem angespülten Gepäck nach ihrem Eigentum. Viel

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