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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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»Nein, Swetlana. Ich habe vor vielen Dingen Angst. Aber vor anderen.«
    Anton, ein Rückgang des Strudels um zwanzig Zentimeter. Anton, der Chef lässt dir ausrichten, dass du einfach fabelhaft bist.
    Etwas in ihrem Ton gefiel mir nicht. Ein Gespräch durchs Zwielicht hindurch lässt sich zwar nicht mit einer normalen Unterhaltung vergleichen, trotzdem bekommt man Gefühle mit.
    Was ist passiert?, fragte ich durch den toten grauen Schleier.
    Arbeite weiter, Anton.
    Was ist passiert?
    »Wenn ich mir nur meiner Sache so sicher wäre«, meinte Swetlana. Sie sah zum Fenster. »Hast du das gehört? So ein Rascheln …«
    »Der Wind«, vermutete ich. »Oder jemand ist vorbeigegangen.«
    Antworte, Olga!
    Mit dem Strudel ist alles in Ordnung, Anton. Nimmt langsam ab. Irgendwie stärkst du ihren inneren Widerstand. Nach unseren Berechnungen müsste der Strudel gegen Morgen so weit geschrumpft sein, dass er keine Gefahr mehr darstellt. Dann kann ich ans Werk gehen.
    Wo liegt dann das Problem? Ich spüre doch, Olga, dass da eins ist!
    Sie schwieg.
    Olga, sind wir Partner?
    Das half. Im Moment sah ich die weiße Eule zwar nicht, wusste aber, dass ihre Augen blitzten und sie kurz auf das Fenster der Kommandozentrale blickte. Ins Gesicht des Chefs und des Beobachters der Dunklen.
    Es gibt ein Problem mit dem Jungen, Anton.
    Mit Jegor?
    »Anton, woran denkst du?«, fragte Swetlana. Es ist schwierig, gleichzeitig mit der realen und der Zwielicht-Welt Kontakt zu halten.
    »Daran, dass es sehr schön wäre, sich teilen zu können.«
    Anton, du hast eine weitaus wichtigere Mission.
    Sprich, Olga.
    »Das verstehe ich nicht, Anton.« Das war wieder Swetlana.
    »Weißt du, mir ist klar geworden, dass ein Bekannter von mir Schwierigkeiten hat. Große Schwierigkeiten.« Ich sah ihr in die Augen.
    Die Vampirin. Sie hat den Jungen in ihrer Gewalt.
    Ich empfand nichts. Keine Gefühle, kein Bedauern, keinen Zorn, keine Trauer. Bloß, dass sich in meinem Innern Kälte und Leere ausbreiteten.
    Vermutlich hatte ich das erwartet. Warum, wusste ich nicht, aber ich hatte es erwartet.
    Aber Bär und Tigerjunges sind bei ihm!
    Es hat sich so ergeben.
    Was ist mit ihm?
    Wenn er bloß nicht initiiert ist! Tot, ja, besser er ist bloß tot. Denn der ewige Tod ist schlimmer.
    Er lebt. Sie hat ihn als Geisel genommen.
    Was?
    Das hatte es noch nicht gegeben. Das war einfach noch nie vorgekommen. Geiseln – solche Spielchen spielen Menschen.
    Die Vampirin fordert Verhandlungen. Sie will einen Prozess … Sie hofft darauf ungeschoren davonzukommen.
    In Gedanken gab ich der Vampirin eine Eins plus für ihre rasche Auffassungsgabe. Sie hatte keine Chancen zu entkommen, hatte sie nie gehabt. Aber alle Schuld auf den bereits getöteten Freund abzuschieben, der sie initiiert hatte … »Ich hab ja von nichts gewusst, hatte keinen blassen Schimmer. Jemand hat mich gebissen. So bin ich die geworden, die ich jetzt bin. Ohne die Regeln zu kennen. Ohne den Vertrag gelesen zu haben. Ich werde eine normale, gesetzestreue Vampirin sein …«
    Und ausgeschlossen war diese Entwicklung in der Tat nicht! Vor allem, wenn die Nachtwache sich auf irgendeinen Kompromiss einließe. Und das tun wir immer – wir haben gar keine andere Wahl, denn jedes Menschenleben muss geschützt werden.
    Erleichtert sackte ich förmlich in mich zusammen. Aber was bedeutete mir dieser Bursche eigentlich? Wenn das Los auf ihn fiel, würde er zur gesetzmäßigen Beute von Vampiren und Tiermenschen werden. So ist das Leben. Und ich würde an ihm vorbeigehen. Selbst wenn das Los nicht auf ihn fiel – wie oft gelang es der Nachtwache nicht einzugreifen, wie viele Menschen starben durch die Dunklen … Doch seltsam: Ich hatte mich schon in den Kampf um ihn eingemischt, für ihn Partei ergriffen, war ins Zwielicht getreten und hatte Blut vergossen. Und jetzt war er mir nicht mehr egal. Überhaupt nicht …
    Ein Gespräch im Zwielicht läuft viel schneller ab als eine Unterhaltung in der Menschenwelt. Dennoch musste ich mich zwischen Olga und Swetlana zerreißen.
    »Anton, zerbrich dir nicht den Kopf über meine Probleme.«
    Trotz allem hätte ich am liebsten laut losgelacht. Ü-ber ihre Probleme zerbrachen sich gerade Hunderte von Leuten den Kopf, auch wenn Swetlana sich das nie im Leben hätte vorstellen können. Doch man brauchte bloß die Probleme anderer zu erwähnen – die sich vor dem schwarzen Höllenstrudel natürlich geradezu winzig ausnahmen –, und schon lud die junge Frau sie sich

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