Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
automatisch als schuldig. Mit allen daraus resultierenden Folgen … für ihn und für die Wache.«
    »Ein düsteres Bild, Boris Ignatjewitsch«, räumte ich ein. »Ein sehr düsteres. Fast wie jenes, das Sie im Winter für mich entworfen haben, damals im Traum. Der kleine Andere mit den unglaublichen Kräften, ein Durchbruch des Infernos, der ganz Moskau in Schutt und Asche legt …«
    »Schon gut. Aber ich lüge dich nicht an, Anton.«
    »Was verlangen Sie von mir?«, wollte ich ohne Umschweife wissen. »Das ist doch überhaupt nicht mein Profil. Soll ich den Analytikern helfen? Wir werten auch so alles aus, was man uns vorsetzt.«
    »Ich möchte, dass du herausbekommst, wer von uns in Gefahr schwebt, Anton. Wer hat ein Alibi für alle bekannten Fälle und wer nicht.«
    Der Chef steckte die Hand in die Tasche seines Jacketts und holte eine DVD heraus. »Nimm das … Es sind die vollständigen Dossiers für die letzten drei Jahre. Von vier Personen, mich eingeschlossen.«
    Ich schluckte und nahm die Scheibe.
    »Die Passwörter sind gelöscht. Dir ist natürlich klar, dass diese Daten niemand sonst sehen darf. Du hast kein Recht, die Informationen zu kopieren. Verschlüssel deine Berichte und Graphiken … und geize nicht bei der Länge des Schlüssels.«
    »Ich brauche einen Assistenten«, sagte ich unsicher. Ich sah Olga an. Doch was konnte sie mir schon für eine Hilfe sein: Ihre Computerkenntnisse beschränkten sich auf Spiele wie Heretic oder Hexen.
    »Meine Daten überprüf selbst«, sagte der Chef zögernd. »Für die anderen kannst du Anatoli hinzuziehen. Abgemacht?«
    »Aber welche Aufgabe habe ich dann?«, wollte Olga wissen.
    »Du wirst das Gleiche tun, allerdings indem du die Leute persönlich befragst. Sie verhörst, um die Dinge beim Namen zu nennen. Mit mir fängst du an. Dann nimmst du dir die anderen drei vor.«
    »Gut, Boris.«
    »Mach dich an die Arbeit, Anton.« Der Chef nickte. »Fang gleich an. An die sonstigen Sachen setz deine Mädchen, die werden schon damit fertig.«
    »Soll ich an den Daten auch herumbasteln?«, fragte ich. »Wenn jemand kein Alibi hat – ihm eins besorgen?«
    Der Chef schüttelte den Kopf. »Nein. Darum geht es nicht. Ich will nicht, dass irgendwas gefälscht wird. Ich will mich davon überzeugen, dass niemand von uns etwas mit diesen Morden zu tun hat.«
    »Ist das Ihr Ernst?«
    »Ja. Denn es gibt nichts, was in dieser Welt unmöglich wäre. Was unsere Arbeit auszeichnet, Anton, ist, dass ich dich mit dieser Aufgabe betrauen kann. Und du sie ordentlich machst. Egal, um wen es sich dabei handelt.«
    Obwohl mich etwas beunruhigte, nickte ich und ging zur Tür, die wertvolle Scheibe fest im Griff. Erst in letzter Sekunde vermochte ich meine Frage zu formulieren, sodass ich mich noch einmal umwandte. »Boris Ignatjewitsch …«
    Der Chef und Olga wichen sofort auseinander.
    »Boris Ignatjewitsch, Sie haben mir die Daten von vier Leuten gegeben.«
    »Ja.«
    »Von Ihnen, Ilja, Semjon …«
    »Und von dir, Anton.«
    »Warum?«, fragte ich begriffsstutzig.
    »Während der Konfrontation auf dem Dach bist du für drei Minuten in die zweite Schicht des Zwielichts vorgedrungen. Anton … das ist die dritte Kraftstufe.«
    »Das kann nicht sein«, entgegnete ich nur.
    »Doch.«
    »Boris Ignatjewitsch, Sie sagen selbst immer, dass ich nur ein durchschnittlicher Magier bin!«
    »Vielleicht, weil ich einen hervorragenden Programmierer viel dringender brauche als einen weiteren guten Mann für den Außendienst.«
    Unter anderen Umständen wäre ich stolz gewesen. Auch beleidigt, aber trotzdem stolz. Ich hatte immer vermutet, dass der vierte Grad für mich den Gipfel dessen darstellt, was ich in der Magie erreichen kann – und selbst den würde ich nicht so bald erlangen. Aber jetzt überdeckte die Angst alles, diese unangenehme, klebrige, widerwärtige Angst. In fünf Jahren Arbeit in der Wache auf einem ruhigen Posten im Stab hatte ich es mir abgewöhnt, noch irgendwas zu fürchten: weder Behörden noch Banditen oder Krankheiten …
    »Das war eine Intervention zweiten Grades …«
    »Die Trennlinie ist hier sehr schmal, Anton. Möglicherweise bist du noch zu mehr fähig.«
    »Aber wir haben mehr als ein Dutzend Magier dritten Grades. Warum gerate ich da in Verdacht?«
    »Weil du Sebulon persönlich herausgefordert hast. Dem Leiter der Tagwache Moskaus ans Leder gegangen bist. Und er wäre durchaus imstande, eine Falle aufzustellen, die auf Anton Gorodezki persönlich zugeschnitten ist.

Weitere Kostenlose Bücher