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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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zu. »Ich habe mir keine große Mühe gegeben.«
    »Und wie lange können Sie ihn in dieser präsentablen Form belassen? Maximal?«
    »Etwa vierundzwanzig Stunden.«
    Swetlana nickte und sah plötzlich in meine Richtung. Sie hatte etwas gespürt. Lächelnd winkte sie mir zu. Nun bemerkten mich alle.
    »Nur herein, meine Dame.« Polina neigte den Kopf. »Das ist eine große Ehre für uns.«
    Sie musste etwas über Olga wissen, das mir unbekannt war. Wir alle wussten nur einen Teil der Wahrheit über sie, nur der Chef wusste vermutlich alles.
    Ich betrat den Raum und versuchte verzweifelt, nicht zu anmutig einherzuschreiten. Was rein gar nichts brachte. Swetlanas Nachbar, ein fünfzehnjähriger Bengel, der seit einem halben Jahr im Anfängerkurs für Magie auf der Stelle trat, und der hoch gewachsene dürre Koreaner, der vielleicht dreißig oder vierzig Jahre alt war – sie alle starrten mich an.
    Eindeutig interessiert. Die ganze geheimnisvolle Atmosphäre, die Olga umgab, die Gerüchte und Mutmaßungen, nicht zu vergessen der Umstand, dass sie seit Jahr und Tag die Geliebte des Chefs war – all das löste beim männlichen Teil der Wache eine ganz bestimmte Reaktion aus.
    »Guten Tag«, sagte ich. »Auch wenn ich nicht als Lehrerin komme, störe ich doch hoffentlich nicht?«
    Da ich mich ausschließlich auf die richtige Verwendung der geschlechtsspezifischen Form konzentrierte, achtete ich nicht auf die Intonation. Die Folge davon war, dass die banalen Worte einen dunkelgeheimnisvollen Unterton gewannen und sich an jeden Einzelnen persönlich zu richten schienen. Das picklige Bübchen verschlang mich mit seinem Blick, der Typ neben Swetlana schluckte, und nur der Koreaner bewahrte so etwas wie Gelassenheit.
    »Olga, möchten Sie unseren Studenten etwas mitteilen?«, wollte Polina wissen.
    »Ich muss mit Sweta sprechen.«
    »Der Unterricht ist für heute beendet«, erklärte die Alte. »Olga, wollen Sie nicht einmal in meinem Kurs vorbeischauen? Meine Vorlesungen können Ihre Erfahrung nicht aufwiegen.«
    »Gern«, versprach ich großzügig. »In drei Tagen etwa.«
    Sollte sich doch Olga mit meinem Versprechen rumschlagen. Schließlich musste ich mich auch mit dem Sexappeal rumplagen, den sie sich zugelegt hatte.
    Gemeinsam gingen Sweta und ich zum Ausgang. Drei gierige Augenpaare bohrten sich in meinen Rücken, genauer: nicht genau in den Rücken. Ich wusste, dass sich zwischen Olga und Swetlana eine herzliche Freundschaft entwickelt hatte. Und zwar nach jener Nacht, als wir zwei ihr die Wahrheit über die Welt, die Anderen, die Lichten und die Dunklen, die Wachen und das Zwielicht eröffnet hatten, seit jener Morgenstunde, als sie an unserer Hand durch eine geschlossene Tür den Raum des Einsatzstabs der Nachtwache betreten hatte. Sicher, Swetlana und mich verband ein mystischer Faden, unsere Schicksale waren miteinander verflochten. Aber ich wusste – wusste es nur zu gut –, dass das nicht von Dauer sein würde. Swetlana würde mich weit hinter sich lassen, würde dorthin gehen, wohin ich nie gelangen konnte, selbst wenn ich ein Magier ersten Grades werden sollte. Uns hielt das Schicksal zusammen, fest zusammen, aber nur vorübergehend. Mit Olga hingegen hatte sich Swetlana einfach angefreundet, so skeptisch ich der Freundschaft zwischen zwei Frauen auch gegenüberstehen mochte. Keine Bestimmung hatte sie zusammengeführt. Sie waren frei.
    »Olga, ich muss noch auf Anton warten.« Swetlana ergriff meine Hand. Das war nicht die Geste der kleinen Schwester, die bei der großen Unterstützung und Selbstbestätigung suchte. Sondern die Geste einer gleichberechtigten Frau. Und wenn Olga Swetlana eine gleichberechtigte Position einräumte, musste der jungen Frau in der Tat eine große Zukunft bevorstehen.
    »Das brauchst du nicht«, sagte ich. »Wirklich nicht, Sweta.«
    Schon wieder stimmte etwas mit meinem Satzbau oder meiner Intonation nicht. Diesmal war es Swetlana, die mich irritiert anschaute – aber mit demselben Blick wie Garik.
    »Ich werde dir alles erklären«, versicherte ich. »Aber nicht hier und jetzt. Sondern bei dir zu Hause.« Der Schutz ihrer Wohnung ließ nichts zu wünschen übrig, zu viel Kraft hatte die Wache schon in ihre neue Mitarbeiterin investiert. Der Chef hatte noch nicht einmal mit mir darüber gestritten, ob ich mich Swetlana anvertrauen dürfe, sondern lediglich eins verlangt: Es muss bei ihr zu Hause passieren.
    »Gut.« Obwohl die Verwunderung nicht aus Swetlanas Augen wich, nickte

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