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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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wirst die Anordnungen befolgen? In einem Rock herumlaufen, keine Minute allein sein?«
    »Als ich in die Wache eingetreten bin, wusste ich, dass ich einen Teil meiner Freiheit verliere.«
    »Einen Teil.« Swetlana schnaubte. »Gut gesagt. Aber lassen wir das, du kannst das besser beurteilen. Wir bleiben die Nacht über also zusammen?«
    »Ja«, nickte ich. »Aber nicht hier. Es wäre besser, wenn ich die ganze Zeit unter Leuten wären.«
    »Und wann willst du schlafen?«
    »Es ist nicht schwer, ein paar Tage nicht zu schlafen.« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, Olgas Körper ist genauso gut in Form wie meiner. In den letzten Monaten hat sie sich permanent ins Nachtleben gestürzt.«

    »Aber ich bin mit diesen Kunststückchen noch nicht vertraut, Anton. Wann soll ich schlafen?«
    »Tagsüber. Im Unterricht.«
    Sie verzog das Gesicht. Ich wusste, dass Swetlana zustimmen würde, sie konnte gar nicht anders. Ihr Charakter hätte es ihr nicht einmal gestattet, einer Zufallsbekanntschaft Hilfe zu verweigern – und eine Zufallsbekanntschaft war ich nun doch nicht.
    »Gehen wir in den Maharadscha?«, schlug ich vor.
    »Was ist das?«
    »Ein indisches Restaurant, sehr anständig.«
    »Hat es die ganze Nacht über auf?«
    »Nein, leider nicht. Uns wird schon noch einfallen, wohin wir danach gehen können.«
    Swetlana blickte mich so lange an, dass selbst das mir eigene dicke Fell nicht ausreichte. Was hatte ich jetzt schon wieder falsch gemacht?
    »Ich danke dir, Anton«, sagte Swetlana voller Gefühl. »Aufrichtig. Du lädst mich in ein Restaurant ein. Darauf warte ich schon seit zwei Monaten.«
    Sie stand auf, ging zum Schrank, öffnete ihn und blickte gedankenverloren auf die darin hängenden Kleidungsstücke. »In deiner Größe finde ich nichts Ordentliches«, meinte sie. »Du musst wieder die Jeans anziehen. Ob sie dich so ins Restaurant lassen?«
    »Bestimmt«, sagte ich nicht sehr überzeugt. Schlimmstenfalls könnte ich ja immer noch eine leichte Manipulation des Personals vornehmen.
    »Wenn es Probleme geben sollte, übe ich die Suggestion«, sagte Swetlana, als hätte sie meine Gedanken gelesen. »Ich werde sie zwingen, uns einzulassen. Das ist doch für eine gute Sache, oder?«
    »Natürlich.«
    »Weißt du was, Anton?« Swetlana nahm ein Kleid vom Bügel, hielt es sich an und schüttelte den Kopf. Daraufhin nahm sie ein beigefarbenes Kostüm heraus. »Mich erstaunt die Geschicklichkeit, mit der die Wächter der Nacht jede Manipulation der Wirklichkeit mit den Interessen des Guten und des Lichts erklären können.«
    »Nicht jede!«, empörte ich mich.
    »Jede, ganz bestimmt. Im Notfall ist selbst Raub eine gute Sache. Und Mord.«
    »Nein.«
    »Bist du da so sicher? Wie oft musstest du schon in das Bewusstsein anderer Menschen eindringen? Selbst unser Treffen: Du hast mich gezwungen zu glauben, dass wir alte Bekannte sind. Nutzt du deine Fähigkeiten als Anderer oft im Leben?«
    »Ja. Aber …«
    »Stell dir vor, du gehst eine Straße entlang. Vor deinen Augen schlägt ein Erwachsener ein Kind. Was machst du?«
    »Wenn mein Limit für Interventionen noch nicht ausgeschöpft ist« – ich zuckte mit den Schultern –, »nehm ich eine Remoralisierung vor. Was sonst?«
    »Und du wärst dir sicher, dass du das Richtige tust? Du würdest nicht lange nachdenken, dich nicht näher damit befassen? Was ist, wenn das Kind für etwas bestraft wird? Wenn diese Strafe es in Zukunft vor größeren Unannehmlichkeiten bewahrt und es jetzt zum Mörder und Banditen heranwächst? Aber du nimmst erst mal eine Remoralisierung vor!«
    »Sweta, du irrst dich.«
    »Wieso denn?«
    »Selbst wenn ich kein Limit für parapsychologische Manipulationen hätte, würde ich nicht einfach vorbeigehen.«
    Swetlana schnaubte. »Aber du wärest überzeugt, das Richtige zu tun? Wo ist da die Grenze?«
    »Die Grenze bestimmt jeder selbst. So ist das nun mal.«
    Nachdenklich schaute sie mich an. »Anton, diese Fragen stellt doch jeder Neuling, oder?«
    »Ja«, lächelte ich.
    »Und du hast dich daran gewöhnt, sie zu beantworten, hast eine paar Antworten, Sophismen, Beispiele aus der Geschichte und Analogien in petto.«
    »Nein, Sweta. So ist das nicht. Die Dunklen stellen diese Fragen überhaupt nicht.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ein Dunkler Magier kann heilen, ein Lichter Magier kann töten«, sagte ich. »Das stimmt. Weißt du, worin der Unterschied zwischen dem Licht und dem Dunkel besteht?«
    »Nein. Aus irgendeinem Grund erklärt

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