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10 - Das Kloster Der Toten Seelen

10 - Das Kloster Der Toten Seelen

Titel: 10 - Das Kloster Der Toten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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Weile an, dann wendete sie, ohne etwas zu erwidern, ihr Pferd, um nach Llanwnda zu reiten.
    Eadulf blickte ihr nach, bis sie zwischen den Bäumen verschwunden war. Schließlich lenkte er sein Pferd auf den Pfad, den die sächsischen Krieger genommen hatten. Als er die Landspitze erreicht hatte, von der man die kleine Bucht überblicken konnte, sah er unten auf dem Wasser das fremde Schiff. Der Hauptmast fehlte wirklich, und die Männer waren angestrengt dabei, die Taue und die Takelage vorzubereiten, damit der neue Mast aufgestellt werden konnte.
    Osric und seine Krieger ruderten gerade mit dem neuen Mast auf das Schiff zu. Eadulf bewunderte die Leichtigkeit, mit der sie ihre Boote auf das lange, flache Kriegsschiff zusteuerten. Um das zu können, muß man sein Leben auf dem Meer zubringen, dachte er. Er selbst hielt sich für einen Experten der Seefahrerei. Nicht daß er jemals ein Seemann gewesen wäre, doch inzwischen war er viel auf dem Meer gereist. Viermal hatte er das große Meer zwischen Britannien und dem Land Éireann überquert; viermal war er auf seinen Pilgerfahrten nach Rom über die Meere gesegelt. Und er hatte die turbulenten Gewässer entlang der östlichen Küste von Britannien kennengelernt, um im Jahre 664 zum großen Konzil von Whitby zu gelangen.
    Eadulf mochte das Meer, und doch hatte er jedesmal auch Furcht davor. War Furcht das richtige Wort? Nein, er hatte Respekt vor dem Meer. Es war grausam und kannte keine Gnade. Doch was wären die Menschen ohne das Meer? Es war wie eine große Straße, die die Völker miteinander verband. Ohne das Meer wären sie voneinander isoliert. Doch das Meer war auch tückisch und hinterhältig, es wartete ab, lag auf der Lauer wie ein Mörder in einer dunklen Nacht, um in einem unerwarteten Augenblick zuzuschlagen.
    Seufzend verscheuchte Eadulf seine Gedanken. Er saß ab, band sein Pferd fest, setzte sich auf einen Fels, von dem er den Kriegern beim Klarmachen des Schiffs zusehen konnte. Die späte Herbstsonne schien lauwarm vom wolkenlosen Himmel herab. Zum erstenmal seit vielen Tagen hatte Eadulf das Gefühl, daß er sich entspannen und über seine Sorgen nachdenken konnte.
    Fidelma.
    Warum kamen sie so schlecht miteinander aus in den letzten Tagen? Was hatte ihn einst ein Weiser des Südvolks gelehrt? Niemand kann einen anderen verstehen, wenn er sich nicht selbst treu bleibt und den freien Willen des anderen respektiert. Nun, er hatte einst geglaubt, daß er Fidelma verstand. Doch jetzt mußte er zugeben, daß es leichter war, sieben Sprachen zu beherrschen, als diese Frau zu verstehen.
    Er hörte in der Ferne jemanden rufen, schreckte aus seinen Gedanken auf und schaute in die Bucht hinunter, dann blickte er zur nördlichen Landzunge. Er sah ein zweites Schiff, das mit vollen Segeln in die Bucht einfuhr. Es war ein schneidiges Kriegsschiff, und auf den straffen Segeln prangte ein riesiger roter Drache.

K APITEL 18
    Eadulf sprang auf.
    Die Rufe kamen von den Sachsen; sie hatten das sich nähernde Schiff entdeckt. Die Absichten des anderen Schiffes waren unverkennbar. Nicht zu übersehen war auch, daß es sich um ein Schiff der Welisc handelte. Die Kriegsflagge mit dem Drachen war den meisten Britanniern bekannt. Es war einst das Symbol des großen Macsen Wledig gewesen, den die Römer Magnus Maximus genannt hatten, als er von den Legionen, die in Britannien stationiert waren, zum Kaiser des westlichen Reiches ernannt wurde. Macsen wurde betrogen und fand den Tod. Seine Frau Elen kehrte nach Britannien zurück und wurde eine große und einflußreiche Fürsprecherin der christlichen Bewegung. Ihre Söhne und Töchter gründeten so manches Königreich der Britannier.
    Eadulf beobachtete fassungslos das Schiff der Welisc . Es war klar, daß dem sächsischen Schiff keine Möglichkeit zur Flucht oder zum Manövrieren blieb. Der neue Mast war soeben erst an Bord gehievt worden, es würde eine Weile dauern, ihn aufzustellen, ganz zu schweigen vom Befestigen der Takelage und der Segel. Osrics Schiff war hilflos seinem Schicksal ausgeliefert.
    Eadulf bemerkte, daß er seine Hände vor Verzweiflung zu Fäusten geballt hatte, und das so fest, daß sich die Fingernägel in das Fleisch seiner Handflächen gruben. Osrics Männer hatten die Schilde und Waffen ergriffen und waren auf eine Seite ihres Schiffes geeilt, um in einem aussichtslosen Versuch zu verhindern, daß die Feinde das Schiff enterten. Und dann geschah das Eigenartige.
    Als nur noch wenige Meter zwischen

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