10 - Das Kloster Der Toten Seelen
Nase. »Ich habe gehört, daß Prinz Cathen glaubt, es könnte sich um einen Überfall von Kriegern aus Ceredigion handeln, die Geiseln nehmen wollten. Ich halte das zwar für möglich, aber nicht für wahrscheinlich.«
»Gibt es eine andere vernünftige Erklärung?«
Bruder Meurig schüttelte den Kopf.
»Kannst du dir eine andere Möglichkeit vorstellen?« fragte nun Fidelma.
»Mir fällt keine ein.«
»Dann glaubst du also nicht wie Abt Tryffin, daß die Klosterbrüder Opfer Schwarzer Magie geworden sind – von dunklen Mächten einfach fortgehext?« fragte Eadulf ernst.
Bruder Meurig lachte trocken.
»Die dunklen Mächte haben Besseres zu tun, als ihre Zeit mit Zaubertricks zu verschwenden, Bruder Eadulf.«
Auf Fidelmas Lippen lag ein leichtes Lächeln. »Wenn du alle anderen Erklärungen ausgeschlossen hast, so muß das, was immer auch dann übrigbleibt, die Antwort sein, ganz gleich wie unglaublich sie erscheinen mag«, bemerkte sie. »Selbst Schwarze Magie.«
»Bei alldem, was ich über dich gehört habe, dachte ich, du würdest als letztes im Reich der Finsternis nach Antworten suchen, Schwester.«
»Oh, Bruder Meurig, da irrst du dich. Man muß als erstes im Reich der Finsternis suchen, wenn man mit dem Bösen zu tun hat. Der menschliche Geist ist derart finster und böse, daß im Vergleich dazu das Jenseits harmlos erscheint.«
Bruder Meurig schien belustigt. »Ich habe vor, beim Morgengrauen nach Pen Caer aufzubrechen, damit wir gegen Abend dort sind. Ihr könnt die Nacht in Pen Caer verbringen und am nächsten Tag nach Llanpadern weiterziehen. Das wäre das sicherste.«
»Das sicherste?« fragte Fidelma.
»Pen Caer ist eine Gegend, die in letzter Zeit oft von Räuberbanden heimgesucht wurde. Selbst Mönche und Nonnen werden von ihnen nicht verschont.«
»Auf unserer Reise morgen wirst du mir mehr von Pen Caer erzählen«, sagte Fidelma, als sie sich verabschiedeten.
»Dort ist es! Das ist Llanwnda! Das ist der Sitz des Fürsten von Pen Caer.«
Die meiste Zeit über waren sie gemächlich geritten, waren gut vorangekommen, ohne daß ihre Tiere ermüdeten, hatten hier und da angehalten, um Wasser zu trinken und dann, um ihren Mittagsproviant zu verzehren. Ihr Weg führte sie an der Küste entlang, und die Gegend war in ihrer Vielfalt sehr malerisch. Moorlandschaften und Klippen, hügelige bewirtschaftete Felder und dichte bewaldete Täler, Schluchten, durch die sich Flüsse wanden, und sogar Marschland säumten ihren Weg. Ab und zu waren sie dem Wasser ganz nahe. Bruder Meurig deutete dann manchmal auf die hoch aufragenden Klippen, die das Land von der ruhelosen See trennten.
Es war später Nachmittag; am Himmel standen graue Wolken, und bald würde die Abenddämmerung hereinbrechen. Sie konnten es an der Kälte spüren, an dem trüben Dunst. An einem Kreuzweg stand seitlich an der Hecke ein alter Stein, der am oberen Ende rund war und ein Kreuzeszeichen trug. Dort brachte Bruder Meurig seine Stute zum Stehen. Er zeigte auf ein paar Gebäude, die man hinter den Bäumen gerade noch erkennen konnte und die weniger als eine Meile entfernt lagen.
»Das ist Llanwnda!« rief er.
Eadulf fiel es schwer, den Namen auszusprechen. »Was bedeutet das?«
» Llan bedeutet Eingemeindung«, erwiderte Bruder Meurig. »Der Fürst hier wird Gwnda genannt, aus diesen beiden Silben besteht der Name.«
»Und der hohe Berg dort?« erkundigte sich Schwester Fidelma. »Ist das der Berg, hinter dem das Kloster von Llanpadern liegt?«
Bruder Meurig schüttelte den Kopf. »Nein, der Berg heißt Pen Caer, von ihm hat diese Gegend hier ihren Namen. Das Kloster Llanpadern befindet sich am Fuße eines kleineren Berges, der Carn Gelli heißt und südlich von uns liegt. In der Ferne kannst du ihn zu deiner Linken wahrnehmen.«
Es war schwierig, aber sie konnte die Umrisse gerade noch ausmachen.
»Gewiß finden wir in Llanwnda eine gute Unterkunft. Wahrscheinlich wird uns Gwnda persönlich seine Gastfreundschaft anbieten, und dann werdet ihr von den Leuten erfahren, was sie von den Geschehnissen in Llanpadern halten.«
»Das ist wunderbar«, meinte Fidelma erwartungsvoll. »Ich hoffe, wir erfahren etwas mehr über die Angelegenheit, in der man dich als Richter gerufen hat. So könnte ich ein wenig die Rechtspraxis von Dyfed kennenlernen.«
»Es wäre mir ein Vergnügen, wenn du mich bei meinen Ermittlungen begleitest«, erwiderte Bruder Meurig. »Das Rechtsverfahren ist hier wirklich etwas anders als in deinem
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