10 - Das Kloster Der Toten Seelen
betrachtete. Sie hatte das in ihrer Muttersprache zu Bruder Meurig gesagt. Der Mondgesichtige blickte sie mißtrauisch an. Offensichtlich hatte auch er ihre Worte verstanden.
»Kind oder nicht, er ist ein Mörder und wird bestraft«, erwiderte er.
»Auf solche Weise bestrafen wir hier niemanden«, entgegnete Bruder Meurig. »Was meinst du mit deiner Anschuldigung?«
»Dieser Junge hat meine Tochter vergewaltigt und ermordet! Ich will Vergeltung!« rief der Mondgesichtige entschlossen.
»Vergeltung wird es nicht geben.« Bruder Meurigs Worte klangen schneidend. »Gerechtigkeit soll jedoch allen widerfahren. Wie heißt du?«
»Ich bin Iorwerth, der Schmied.«
»Und der Name des Jungen?«
»Er heißt Idwal.«
»Gut, Schmied Iorwerth. Du wirst uns zum Haus von Gwnda führen. Ihr beide seht zu, daß dem Jungen nichts passiert, sonst ziehe ich euch zur Rechenschaft.« Bruder Meurigs Anweisungen duldeten keine Widerrede. Er blickte in die Menschenmenge, die einige Schritte zurückgetreten war, als wolle sie sich von Iorwerth und seinen Freunden distanzieren. »Ihr anderen kehrt wieder in eure Häuser zurück.« Er sah den Mann mit der Keule an, der nun weniger angriffslustig schien. »Und wie heißt du?«
»Ich bin Iestyn. Ich bin Bauer«, antwortete er gereizt.
»Iestyn, was rechtfertigt dein Eingreifen in dieser Sache?«
»Ich bin ein Freund von Iorwerth.«
»Nun, Freund von Iorwerth, ich übertrage dir die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß diese Leute so schnell wie möglich in ihre Häuser zurückkehren. Gibt es auch nur das geringste Anzeichen von Unruhe oder weiterem Aufruhr, dann … Ich würde dich dann persönlich dafür verantwortlich machen. Das würde dir ganz sicher nicht gefallen.«
Bruder Meurig gab nun Iorwerth ein Zeichen, voranzugehen. Der zögerte einen Moment, doch dann zuckte er mit den Schultern und setzte sich in Bewegung. Bruder Meurig folgte ihm auf seinem Pferd, während die beiden Männer, die den Jungen festhielten, ihn nun vor sich her schoben.
Eadulf und Fidelma schlossen sich Meurig an. »Es sieht so aus, als hätte Bruder Meurig mehr Durchsetzungsvermögen, als ich ihm zugetraut habe«, flüsterte Eadulf Fidelma zu.
Die verzog das Gesicht. »Er ist eben ein barnwr «, meinte sie in einem Ton, der ein wenig vorwurfsvoll klang.
Die kleine Gruppe schlängelte sich die kurze Strecke durch den Ort bis zu einem größeren Komplex aus Scheunen und Nebenbauten. Darunter befand sich ein stattliches Gebäude, dessen beeindruckende Ausmaße vermuten ließen, daß es sich um das Haus des Stammesfürsten dieser Gegend handelte. Zwei Männer standen vor der Tür. Sie schienen vom Eintreffen der Gruppe überrascht zu sein. Einer von ihnen trat hervor, als er Iorwerth erkannte.
»Was ist los?«
»Das ist der barnwr «, erklärte der Schmied knapp und nickte zu Bruder Meurig hinüber.
»Wo befindet sich der Fürst?« fragte Bruder Meurig vom Pferd herab.
Der Mann schaute zum Haus. Da drehte sich sein Gefährte plötzlich um und rannte davon. Der andere rief ihm einen Fluch hinterher.
»Hol deinen Fürsten her. Rasch! Und wehe dir, wenn ihm etwas zugestoßen sein sollte«, sagte Bruder Meurig in schärferem Ton.
Der Mann ging zur Tür und pochte. Sie schien nicht verschlossen zu sein. Man hörte Schritte dahinter. Jetzt nahm der zweite Mann ebenfalls Reißaus.
Einen Augenblick später stand in der Tür ein stämmiger Hüne mit einem dunklen Vollbart. In der rechten Hand hielt er ein Schwert, als wolle er sich im Falle eines Angriffs verteidigen.
»Was hat das zu bedeuten?« brummte er und blickte überrascht in die Runde. »Ich, Gwnda, verlange eine Erklärung!«
Bruder Meurig neigte sich in seinem Sattel nach vorn. »Bist du Gwnda, Fürst von Pen Caer?«
»Der bin ich«, antwortete dieser, ohne sein Schwert zu senken. Als er die Mönchskutte bemerkte, wurden seine Augen plötzlich schmal.
»Ich bin Bruder Meurig von der Abtei Dewi Sant – der Richter, nach dem du gerufen hast. Das sind meine Begleiter, Schwester Fidelma und ihr angelsächsischer Gefährte, Bruder Eadulf. Sie reisen im besonderen Auftrag von Gwlyddien von Dyfed.«
Gwnda schien verblüfft. Erst jetzt bemerkte er Iorwerth und die beiden Männer, die den Jungen festhielten. Er stellte nun die Schwertspitze auf die Stufe vor sich, seine Hände ruhten auf dem Knauf. Sein Gesicht entspannte sich ein wenig, als Begrüßungslächeln konnte man das allerdings nicht deuten.
»Ich wünschte, ich könnte euch hier unter
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