10 - Das Kloster Der Toten Seelen
mich an die Geschichte mit Llanpadern erinnert. Natürlich war es da zu spät.«
»Zu spät? Was meinst du damit?«
»Ja, wißt ihr es denn nicht?« fragte Gwnda überrascht. »Der junge Dewi, der Sohn von Goff, dem Schmied von Llanferran, teilte uns heute früh mit, daß die Klostergemeinde von Seeräubern entführt wurde. An der nahe gelegenen Küste hat man ein paar tote Mönche gefunden. Wahrscheinlich sind sie bei einem Fluchtversuch heimtückisch erschlagen worden.«
Diese Nachricht machte alle sprachlos und tief betroffen.
Bruder Meurig fragte leise: »War Bruder Rhun unter den Opfern?«
»Das weiß ich nicht. Dewi sagte, daß die Leute von Llanferran die toten Mönche begraben hätten. Wenn sich Bruder Rhun darunter befunden hat, hätten sie es uns sicher mitgeteilt.«
»Und hat dieser Dewi aus Llanferran gesagt, wer die Seeräuber waren?« fragte Fidelma ruhig.
»O ja. Es waren Angelsachsen.«
K APITEL 5
Die darauffolgende Stille wurde nur von Eadulf unterbrochen, der verlegen auf seinem Stuhl hin und her rutschte. Er hatte alles verstanden und wich nun Fidelmas Blicken aus.
»Dieser Junge, den ihr Dewi nennt, ist er ein zuverlässiger Zeuge?«
Gwnda nickte. »Sein Vater, Goff, ist ein sehr angesehener Mann. Llanferran liegt nicht weit von hier, wenn du dich selbst vergewissern willst.«
»Hast du viel Kontakt zum Kloster Llanpadern?«
»Eigentlich nicht. Ich kannte den Klostervorsteher, Pater Clidro, ziemlich gut. Er war ein großherziger frommer Mann und ein hervorragender Gelehrter. Aber wir haben mit den Mönchen nur wenig Handel getrieben.«
»Du hast gesagt, daß Idwal euch als erster von den verschwundenen Mönchen erzählt hat?« fragte Fidelma nachdenklich. »Das muß vor zwei Tagen gewesen sein, oder?«
»Er hat das meiner Dienerin Buddog erzählt, nicht mir.«
»Ich muß unbedingt mit Idwal darüber sprechen, was er gesehen hat.«
»Der wiederum ist kein zuverlässiger Zeuge«, bemerkte Gwnda sarkastisch.
Fidelma zog die Augenbrauen ein wenig hoch. »Warum? Weil er sich jetzt in dieser mißlichen Lage befindet?«
»Keineswegs. Idwal hat behauptet, daß die Gemeinde einfach verschwunden sei. Puff! Wie Rauch im Wind. Daß es keine Anzeichen für Gewalt gab. Wenn die Angelsachsen Llanpadern geplündert und die Mönche entführt haben, wie Dewi berichtet, dann muß man doch sehen, daß dort ein Überfall stattgefunden hat.«
Fidelma verkniff sich, Gwnda zu sagen, daß Idwals Darstellung mit der von Bruder Cyngar übereinstimmte.
»Warum hielt sich Idwal zu dieser Zeit in Llanpadern auf?« wollte sie wissen.
»Der Junge ist ein umherziehender Schafhirte und wandert häufig über die Berge.«
»Verzeih mir die Frage, aber bist du dir sicher, daß er an dem gleichen Vormittag die Nachricht überbrachte, an dem er das Mädchen vergewaltigt und ermordet haben soll?« Zum erstenmal beteiligte sich Eadulf an der Unterhaltung. Es war auch das erstemal, daß er sich in der Sprache von Dyfed äußerte. Er sprach mit starkem Akzent und fehlerhafter Grammatik, doch man konnte ihn verstehen. Gwnda betrachtete ihn überrascht.
»Ah, und ich dachte, du bist stumm, Angelsachse. Dabei kannst du sprechen. Nicht gut, aber immerhin redest du.«
»Bruder Eadulf ist Abgesandter des Erzbischofs von Canterbury«, erläuterte ihm Fidelma. »Und er ist mein getreuer Begleiter. Er beherrscht mehrere Sprachen.«
Gwnda lächelte herablassend. »Ich habe erfahren, daß es unter den Jüten von Canterbury einen neuen Erzbischof gibt. Ein Grieche, nicht wahr?«
»Ehe wir uns über diese und jene Neuigkeiten unterhalten, sollten wir vielleicht noch einiges klären«, sagte Fidelma. »Bruder Eadulf hat eine präzise Frage gestellt.«
Der Fürst von Pen Caer zuckte gleichgültig mit den Schultern. »So ist es, sächsischer Bruder. Das war an dem gleichen Vormittag, an dem Idwal Mair vergewaltigt und umgebracht hat.«
»Ein Zufall?« fragte Eadulf mit Nachdruck.
»Was sonst, mein sächsischer Freund? Was sonst?«
Geräuschvoll räusperte sich Bruder Meurig. »Morgen ist genügend Zeit, sich mit dem Rätsel von Llanpadern zu beschäftigen«, sagte er. »Ich würde gern mehr über den Mord hier erfahren. Vielleicht könntest du, Gwnda, mir den Vorgang so schildern, wie er sich deines Wissens nach zugetragen hat.«
»Wie er sich meines Wissens nach zugetragen hat?«
»Alles, was du weißt. Zuallererst, wer ist eigentlich das Opfer?«
Gwnda setzte sich auf seinem Stuhl zurecht und legte die Hände
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