10 - Das Kloster Der Toten Seelen
fürstlicher Krieger war. Dieser Halsreif war kunstvoll gearbeitet und reich verziert. In den fünf Königreichen war ein solcher Schmuck inzwischen aus der Mode, niemand trug ihn mehr, nur zu bestimmten offiziellen Anlässen wurde er noch angelegt, und das geschah eher selten. Aus Erfahrung wußte Fidelma jedoch, daß solche Halsreife bei vielen Stämmen in Britannien und Gallien bis heute sehr verbreitet waren.
Außerdem trug der Mann eine schwere Kette aus Rotgold, die ihm bis zur Brust reichte – meisterlich gefertigt und ziemlich wertvoll. Fidelma rümpfte die Nase. Wenn jemand zwei so teure und feine Schmuckstücke anlegte, wurde die Wirkung jedes einzelnen gemindert, und es entstand der Eindruck von Protzerei.
»Nun«, sagte der junge Mann schließlich und betrachtete sie mit einem eigenartigen Lächeln, »wen haben wir denn da?«
Langsam richtete sich Fidelma auf, spreizte dabei die Hände leicht von ihrem Körper ab, damit die Bogenschützen sehen konnten, daß sie keine Waffe in der Hand hielt. Eadulf zögerte einen Augenblick, folgte ihrem Beispiel dann aber. Da drang vom Hof das Hufgeklapper von vielen Pferden zu ihnen. Offensichtlich hatten der Mann und seine beiden Bogenschützen ein größeres Gefolge.
»Ich bin Schwester Fidelma, und das ist Bruder Eadulf«, hub sie an.
Das Lächeln des jungen Mannes wurde noch breiter, es war kalt und erbarmungslos, so betrachtete ein Jäger sein Opfer.
»Eine Gwyddel und noch ein Angelsachse, den Namen nach?« Er blickte seine Begleiter an. »Nun, Leute, ein merkwürdiges Paar, nicht wahr?« Er schaute wieder zu ihnen, noch immer lächelte er auf unverschämte Weise. »Was macht ihr hier?«
»Ich bin eine dálaigh , was bei euch barnwr heißt …«
»Ich habe nicht gefragt, wer ihr seid«, unterbrach sie der junge Mann barsch. »Ich habe gefragt, was ihr hier macht.«
»Genau das will ich dir ja erklären. Mein Begleiter und ich sind im Auftrag eures Königs Gwlyddien unterwegs. Wir überprüfen den Bericht über das Verschwinden der Klostergemeinschaft …«
Zu ihrer Überraschung brach der Mann in lautes Gelächter aus. Ein Gelächter ohne Heiterkeit.
»Gwlyddien ist nicht mein König. Und überhaupt, würde ein König von Dyfed eine Frau deiner Abstammung mit einer Untersuchung beauftragen, ganz zu schweigen einen Angelsachsen? Die Angelsachsen sind unsere Erzfeinde.«
Einer der Bogenschützen, der Eadulf im Visier hatte, hob leicht seinen Bogen, als erwarte er den Befehl, Eadulf zu töten.
»Sieh dir die Vollmacht mit dem königlichen Siegel darunter an, wenn du meine Worte anzweifelst«, entgegnete Fidelma und suchte in ihrem marsupium . »Es wird nicht gut ausgehen mit euch, wenn ihr einen Mönch umbringt, der noch dazu im Dienste des Königs von Dyfed steht. Bruder Eadulf hat euch nichts getan!«
Nun sah der Mann sie ein wenig mit Bedauern an. »Ach, das habe ich vergessen. Die Gwyddel sind ja besonders gern mit Angelsachsen befreundet, nicht wahr. Ihr seid doch die, die zu den Angelsachsen gegangen sind, um sie zum rechten Glauben zu bekehren und ihnen das Lesen und Schreiben beizubringen und auch, sich wie zivilisierte Menschen zu verhalten. Wir Britannier kennen sie besser. Deshalb haben wir es abgelehnt, sie zu bekehren, selbst als die Prälaten aus Rom herkamen und es von uns verlangten. Sei vorsichtig, Gwyddel; eines Tages werden sich die Angelsachsen gegen dich erheben und dir das antun, was sie den Britanniern angetan haben, die einst im ganzen Land lebten.«
Es waren die Worte eines gebildeten Mannes, der gewohnt war, Befehle zu erteilen. Seine beiden Begleiter grunzten zustimmend und hielten die Bögen nach wie vor fest auf sie gerichtet.
Fidelma verzog keine Miene. »Ich frage noch einmal, was hat dir der Mann neben mir getan?«
»Hast du nicht davon gehört, daß die Sachsen mehrere tausend Mönche in Bangor abschlachteten, um ihren Sieg über König Selyf von Powys zu feiern?« entgegnete der junge Krieger.
»Das habe ich. Das war vor fast fünfzig Jahren, zu einer Zeit, als noch niemand von uns auf der Welt war. Du ganz sicher nicht.«
»Glaubst du etwa, daß die Sachsen ihren Charakter geändert haben, nur weil eure Missionare sie zum christlichen Glauben bekehrt haben?«
»Mit jemandem voller Vorurteile kann ich nicht disputieren, ganz gleich, wer du sein magst. Ich sage noch einmal, daß wir im Auftrag des Königs von Dyfed hier sind. Wir befinden uns auf dem Territorium von Dyfed, ob ihr nun dessen König anerkennt oder
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