10 SCIENCE FICTION KRIMINAL-STORIES
chirurgischen Eingriff unterzogen wird. Diese Methode ist perfekt: sie wird von einer Maschine ausgeführt. Der genaue Vorgang ist natürlich geheim, im Prinzip jedoch sehr einfach … Dem Kleinkind wird in die Nebenniere ein Virus eingeimpft, das sich dort verkapselt und von dem Hormon der Nebenniere, dem Adrenalin, ernährt wird. Bekanntlich setzt bei psychischer Anspannung eine starke Adrenalinausscheidung ein. Also in Fällen großer Erregung – wie bei Wut und Zorn. Wird das Adrenalin abgezapft, kann jede unkontrollierte Gefühlsäußerung nur ein gewisses Maß erreichen.«
Dr. Mecklan machte eine kurze Pause und lächelte der Frau zu.
»Parallel zu dieser Operation wird das Kleinkind auch einer emotionellen Behandlung unterzogen. Dies bewirkt, daß Grausamkeiten oder gar mutwillige Tötung eines anderen menschlichen Individuums ebenfalls nur zu einem bestimmten Grad durchführbar sind. Versucht man dennoch, seine Absichten zu verwirklichen, streikt der Körper und rebelliert der Geist. Darum gibt es keinen wirklichen Mord – nur eine prozentuelle Ausführung.«
Die Patientin hatte ganz kleine Augen bekommen; die Stimme des Psychiaters war so einlullend gewesen. Sie fühlte sich wohlig entspannt. Wie in Trance sagte sie: »Ich habe im 3-D gehört, daß der höchstprozentige Mord, der bis jetzt erreicht wurde, bei einundachtzig Prozent liegt. Stimmt das?«
Der Psychiater nickte. »Dies ist aber ein Ausnahmefall. Er ereignete sich vor fast fünfzehn Jahren. Und sobald jemand die Achtzig-Prozent-Grenze überschreitet, wird er einer Spezialbehandlung unterzogen, nach der er nur noch zu kleinstprozentigen Morden fähig ist.«
Dr. Mecklan mußte wieder an den Mann denken, der im Warteraum stand. Wenn sich diese Frau mehr Gedanken machte, anstatt sich Krankheiten einzureden, dann hätte sie ihm einen Widerspruch in seinen Worten nachweisen können. Denn der Mann, an dem die erste Spezialbehandlung durchgeführt worden war, hatte danach Selbstmord begangen – was wiederum eine Überschreitung der Grenze war.
Schon vor über zehn Jahren hieß es von ihr, sie würde nun niemals mehr überwunden werden, und dennoch hatte es ein Mörder aus einem der seriösen Klubs geschafft, einen vierundachtzigprozentigen Mord zu begehen. Woraufhin er auch einer Spezialbehandlung unterzogen wurde.
Jetzt wartete er, um zu ihm vorgelassen zu werden.
Kassian Kyan hieß er.
Der Psychiater stand auf und sagte abschließend: »Sie werden sehen, gnädige Frau, bald haben wir Näheres über Ihren Mann in Erfahrung gebracht.«
Die Frau erhob sich ebenfalls. Sie hatte plötzlich wieder ihre Beherrschung verloren.
»Ich habe solche Angst, Doktor«, jammerte sie. »Ich kann unmöglich in meine Wohnung zurück. Ich könnte den Anblick des Tatortes nicht ertragen …«
»Also gut«, sagte Mr. Mecklan resignierend, »ich werde Sie zur weiteren Beobachtung hierbehalten. Aber nur so lange, bis ich den Aufenthaltsort Ihres Gatten entdeckt habe.«
Er rief nach einem Pfleger, und als dieser die Frau hinausführte, drehte sie sich in der Tür noch einmal um. »Ich wollte, ich könnte Ihnen glauben, Doktor«, sagte sie theatralisch. Sie wartete noch sein selbstsicheres Lächeln ab, dann ging sie hinaus.
*
Kassian Kyan war groß, breit in den Schultern und hatte kantige Gesichtszüge. Er war ungeduldig und es nicht gewohnt, untätig zu sein, ob nun im Beruf oder in seiner Freizeit, die er mit geistigem Training und Arbeit an seiner körperlichen Kondition auszufüllen pflegte.
Sein ganzes Streben war es, eines Tages den hundertprozentigen Mord zu schaffen. Und dieser Tag sollte nicht mehr fern
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