10 SCIENCE FICTION KRIMINAL-STORIES
Besuch kommt
»Aber Sie können doch nicht morden, gnädige Frau. Das ist ganz und gar unmöglich.«
Ein Ton von Ungeduld schwang in Dr. Mecklans Stimme, als er mit jener berufsmäßigen Güte auf seine Patientin herabsah, deren Psychiater mächtig sind. Die Frau bewegte sich unruhig auf der Behandlungscouch. Das alles wegen eines Traumes.
»Ich kann es ja selbst kaum glauben«, jammerte seine Patientin. »Aber es war so … so real.«
»Sie haben nur schlecht geträumt, gnädige Frau«, beruhigte sie der Psychiater. Er war eine stattliche Erscheinung, mit scharfgeschnittenem Gesicht, aus dem graue, unergründliche Augen stachen. Er kannte seine Wirkung auf Frauen; sie konsultierten ihn aus den fadenscheinigsten Gründen. Da meist verheiratet, behandelten sie diese »Konsultationen« diskret, und so konnte er für sich einen Idealzustand schaffen, ohne dabei Gefahr zu laufen, sich fest binden zu müssen. Nur gab es auch lästige Subjekte, deren unterschwellige Wünsche zu erfüllen, keineswegs in seinem Trachten lag. Die Frau auf der Behandlungscouch – zu mollig an unerwünschten Stellen, mit kosmetisch behandeltem Gesicht, und bemüht, ihre zweite Jugend als die erste hinzustellen – gehörte zu besagter Kategorie; er wollte sie, auf eine höfliche Art, schnellstens loswerden.
»Ihr Mann hat versprochen, zu einem bestimmten Termin von der Geschäftsreise zurückzukehren«, fuhr Dr. Mecklan fort. »Sie haben sich ungewöhnliche Mühe gegeben, ihm seine Ankunft angenehm zu gestalten – haben für diesen Abend die Dienstboten entlassen, den Tisch selbst gedeckt und wollten eigenhändig servieren. Es ist nur allzu verständlich, daß Sie wütend waren, als er nicht kam.«
»Aber konnte ich deshalb so schrecklich träumen? Warum sollte ich träumen, ihn umzubringen?« flüsterte die Frau und heftete ihren fassungslosen Blick auf die ruhigen grauen Augen des Psychiaters. Dieser fragte sich im stillen, ob es nicht doch besser wäre, sich nur noch den ernsthaften Patienten zu widmen. Aber Dr. Mecklan liebte den Luxus, und die ernsthaften Fälle waren mehr oder weniger sein Hobby – davon hätte er nicht leben können.
Dr. Mecklan wiegte sanft den Kopf. »Im Traum geschehen seltsame Dinge, gnädige Frau. Bei Ihnen paarte sich der Wunsch, Verbotenes zu tun, mit der Traumeigenheit, Unmögliches zu vollbringen. So träumten Sie, Ihren Mann umzubringen.«
Dr. Mecklan stöhnte innerlich. Sie wollte ganz einfach nicht begreifen. Ihr Geld war ihm willkommen, aber leicht ließ sie es einen nicht verdienen.
»Sehen Sie, das Unterbewußtsein ist ein geheimnisvolles, seltsames Reich – unergründlich. Oft gaukelt es einem Dinge vor, die entsetzlich sind; an die man normalerweise niemals denken würde.« Seine Stimme war die eines geduldigen Vaters. »Es kommt vor, daß man auf einen Menschen wütend ist. Man denkt: ›Ich könnte ihn umbringen.‹ Aber vom Gedanken zur Tat ist es ein weiter Weg. Und handelt es sich um Mord, dann ist der Weg unbeschreitbar. Nehmen Sie die Mörder. Glauben Sie, auch nur einer von ihnen hat jemals schon getötet? Und deren Wunsch zu töten wurzelt tiefer.«
Sie schwieg, und Dr. Mecklan glaubte schon, das Ende der Konsultation sei gekommen. Aber die Frau blieb hartnäckig.
»Und Sie sind ganz sicher, daß es nicht möglich ist, einen Menschen zu töten? Ich meine, können es auch die Mörder nicht?«
Der Psychiater seufzte in Gedanken. Im Warteraum würde sein letzter Patient schon ungeduldig werden – ein Fall, ungleich interessanter und nicht minder einträglich.
»Haben Sie jemals von einem hundertprozentigen Mord gehört? Nein.
Sie wissen sicher, daß jeder Mensch nach der Geburt einem
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