10 SCIENCE FICTION KRIMINAL-STORIES
stand ich inmitten einer Menschenmenge. Die wundervollen Bewegungen riefen einen schwindelerregenden Effekt hervor; sie reizten mich. Auf der einen Seite von mir drängte sich Marco Polo triumphierend zwischen Cathay zu Kublai Khan durch. Vor mir glitten vier Kinder dahin, auf die traurige Gestalt Galileo Galileis zu. Sie stellten die vier Monde des Jupiter dar.
Auf der anderen Seite reiste der persische Poet Firdausi nach Bagdad ins Exil. Noch weiter weg erhaschte ich ein Bild Heyerdahls, der mit den Wogen kämpfte.
Und wenn ich meine Blicke umherschweifen lasse, vermischt sich alles – Floß, Teleskop, Pagode, Palme. Das hat Ausdruck! Wenn ich es nur tanzen könnte!
Ich halte es nicht aus. Da ist wieder meine Ruhelosigkeit, mein einziger Begleiter. Ich bewege mich umher, stumpfen Blickes. Ich wandere um die Apparate herum oder darüber hinweg. Ich quetsche mich steifbeinig zwischen den Tänzern hindurch. Irgend etwas nötigt mich, etwas, woran ich mich nicht erinnern kann. Jetzt weiß ich nicht einmal, wer ich bin. Ich habe die bloße Identität abgelegt.
*
Das Tanzen entflammt mein Herz. Ich würde niemandem etwas antun, nur jenem, der mich für alle Zeiten verletzte. Er ist es, den ich finden muß. Warum tanzen sie so schnell? Die Bewegungen treiben mich an wie Peitschenhiebe.
Jetzt renne ich in einen Spiegel. Er steht auf einer gedrängt vollen Tanzfläche. Ich kämpfe mit dem Geschöpf, das darin gefangen ist, weil ich es für echt halte. Dann erkenne ich, daß es nur mein Spiegelbild ist.
Ich schüttele den Kopf, damit das Blut aus meinen Augen weicht, und betrachte mich.
Ja, das bin ganz unverkennbar ich. Und ich erinnere mich, wen ich darzustellen habe.
Das erste Mal fand ich in meiner Kindheit heraus, wen ich darzustellen hatte, als ich eines der größten Dramen überhaupt sah. Da war es, eingefangen vom Zeitschirm! Die Soldaten und Zenturionen kamen, und dahinter eine schreiende Menschenmenge. Als sie drei Kreuze in die Erde rammten, verdunkelte sich der Himmel. Und als ich den Mann sah, den sie ans mittlere Kreuz schlugen, wußte ich, daß ich Sein Gesicht hatte. Da ist es nun, dasselbe erhabene Gesicht, das mich aus dem Glas mit Schmerz und Mitleid ansieht. Keiner glaubt mir; ich sage ihnen nicht mehr, für wen ich mich halte. Aber ich weiß, eins habe ich zu tun. Ich habe es zu tun!
Deshalb renne ich von neuem plumps-quietsch-plumps-quietsch; ich weiß genau, wonach ich Ausschau halten muß. Um all die großen Apparate, Säulen und Schalttafeln aus Beton und Plastik, um alles das renne ich herum, mit suchenden Blicken.
Und hier ist es. Berufsspieler tanzen dieses Drama, mein Drama, so schwierig und verworren und verrückt. Pilatus in Taubengrau, Maria Magdalena in Grün. Körper von Tänzern umdrängen sie, die Menge darstellend, die sich nicht darüber aufregte. Ich aber rege mich auf!
Meine Augen glühen ihnen entgegen, suchend schweifen sie umher. Dann habe ich ihn, den Mann, den ich will.
Er verläßt gerade die Szene, um sich außer Sichtweite auf seinen letzten Tanz vorzubereiten. Ich folge ihm, halte mich dicht hinter ihm, wie eine Raubkatze im Dickicht.
Ja! Er sieht genauso aus wie ich! Er ist mein lebendes Bildnis – und trägt folglich auch dieses Gesicht. Jetzt ist es von Schminke überzogen, so daß er, wenn er aus dem hellen Lichtschein tritt, wie ein Toter aussieht.
Ich bin nahe genug, um den dicken Schmutz auf seiner Haut zu sehen, mit all den Runzeln und Rillen, die durch den Schweiß und die Bewegung entstanden sind. Darunter sehe ich das wahre Gesicht recht deutlich, obwohl ihn die aufgeschmierte Schminke als Judas kennzeichnet.
Dieses Gesicht zu haben und Judas zu spielen! das ist die fürchterlichste aller Bosheiten. Aber es handelt sich um
Weitere Kostenlose Bücher