10 SCIENCE FICTION KRIMINAL-STORIES
sein.
Als er nun schon eine geschlagene halbe Stunde in Dr. Mecklans Wartezimmer zugebracht hatte, wurde er ungehalten. Er hielt in seinem Auf- und Abschreiten inne, wandte sich der Tür zu, auf der PRIVATORDINATION stand, und wollte eben zum Angriff übergehen, als er hinter sich Schritte vernahm.
Es war die junge Dame vom Empfangsraum.
»Herr Doktor läßt bitten.«
Kassian dankte ihr lächelnd, denn er war, obwohl er sich zu den Mördern zählte, ein Gentleman von Kopf bis Fuß. Schwungvoll betrat er Dr. Mecklans Privatordination.
Der Arzt erhob sich und trat ihm mit der entsprechenden Höflichkeit entgegen. Der Händedruck des Psychiaters war fest, was Kyan schon bei früheren Gelegenheiten wohlwollend festgestellt hatte. Er haßte Männer, die verweichlicht waren. Er wußte, daß aus dem menschlichen Körper und Geist viel mehr herauszuholen war, als man glaubte. Zum Beispiel war der Mensch fähig, einen vierundachtzigprozentigen Mord zu begehen, und Kyan war überzeugt, daß auch ein hundertprozentiger Mord im Bereich des Möglichen lag. Er würde es beweisen.
»Nehmen Sie Platz«, sagte Dr. Mecklan und wies auf einen der zwei Stühle vor dem Schreibtisch. Er nahm sich nicht die Mühe, sein sonst übliches Lächeln auf das Gesicht zu zaubern; dies wäre bei Kassian Kyan fehl am Platz gewesen.
»Danke.« Kyan blickte sein Gegenüber abschätzend an. Er würde den Arzt soweit bekommen, dachte er; das stand für ihn fest.
Nach einer Weile beschloß Kyan, das Schweigen zu brechen.
»Sie haben davon gehört, Doktor?« begann er. Seine Stimme war gefaßt. Dr. Mecklan nickte. »Ja, das habe ich.«
»Was sagen Sie dazu?«
Der Arzt lehnte sich zurück. »Ich bin, ehrlich gestanden, überrascht. Ich hätte es nie für möglich gehalten, daß es jemandem gelingen würde, einen vierundachtzigprozentigen Mord zu begehen.«
»Ja, es ist erstmalig in der Geschichte«, bemerkte Kyan selbstzufrieden. »Aber ich glaube, daß ich diesen Erfolg meinen – meinen Vorfahren zu verdanken habe. Sie alle waren tüchtige Mörder. Ich habe ihre Fähigkeiten geerbt – und natürlich weiterentwickelt.«
Der Arzt beugte sich vor.
»Mißverstehen Sie mich nicht, Herr Kyan«, sagte er, »aber Ihre Leistung ist nicht nur sehr erstaunlich, sondern in gleichem Maße auch gefährlich. Es ist das erste Mal seit fast fünfzehn Jahren, daß die Achtzig-Prozent-Grenze überschritten wurde. Und gleich um vier Prozent«, fuhr er fort. »Sie haben damit, um es in Ihrer Sprache auszudrücken, einen neuen Rekord aufgestellt.«
Er machte eine Pause, und Kassian Kyan wölbte die Lippen.
»Und wie hieße es in Ihrer Sprache, Doktor?«
Der Psychiater schwieg.
»Etwa, ein um so schimpflicheres Verbrechen …?«
»Nein, durchaus nicht«, wehrte Dr. Mecklan ab.
»Wie sollte ich etwas verurteilen, das ich in seiner Bedeutung gar nicht erfassen kann?«
»Sie haben nicht Geschichte studiert?« fragte Kyan lächelnd.
Dr. Mecklan schien das Thema nicht zu behagen. Er schwenkte seinen Stuhl und blickte von einer Wand zur anderen, als betrachte er die verschiedenen Täfelungen.
Dann sagte er:
»Es ist auch das zweite Mal, daß die Spezialbehandlung angewendet wurde. – Sie sind doch schon behandelt worden, oder?«
Kyan zündete sich eine Zigarette an. »Ich müßte Ihre Frage eigentlich mit einem klaren, einfachen ›Ja‹ beantworten, Doktor … Aber ich weiß nicht recht.«
Der Psychiater hob fragend eine Augenbraue.
Kyan lächelte noch immer, aber diesmal ein wenig unsicher. »Ich weiß nicht recht«, wiederholte er. »Man hat mir gesagt, die Behandlung sei an mir erfolgt, aber ich kann keine Veränderung feststellen.«
»Sie meinen, keine unmittelbare Wirkung?«
»Ja
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