10 SCIENCE FICTION KRIMINAL-STORIES
Stirn. Der Psychiater hatte ihm das Tuch in die Hand gedrückt.
Dann, nach etwa einer halben Minute, fragte er:
»Warum haben Sie zu töten versucht?«
»Wegen der Ehren, der Hochachtung. Wegen der Prahlhänse im Klub, denen ich beweisen wollte, daß meine Mordversuche hochprozentiger waren als ihre. Und wegen meiner Vorfahren, die alle tüchtige Mörder waren.«
»Verübten Sie gerne Mordversuche?«
»Ja.«
»Auch aus anderen als den eben genannten Gründen? Zum Beispiel zur eigenen Freude?«
»Ja.«
»Hören Sie die Melodie?«
»Nein.«
»Haben Sie schon Pläne für die nächste Zeit?«
»Wie meinen Sie das?«
»Wollen Sie verreisen?«
»Nein.«
»Wollen Sie heiraten?«
»Fällt mir im Traum nicht ein.«
»Wollen Sie aus dem Klub austreten?«
»Wo denken Sie hin!«
»Beschränken Sie sich darauf, nur mit ›Ja‹ oder ›Nein‹ zu antworten, wenn dies meine Frage zuläßt. – Wollen Sie heiraten?«
»Nein.«
»Wollen Sie aus dem Klub austreten?«
»Nein.«
»Tragen Sie sich wieder mit Mordgedanken?«
»Sicher.«
»Morden?«
»Ja.«
»Hören Sie die Melodie?«
»… … … … … ..«
»Hören Sie die Melodie?«
„]a, ich höre sie!«
*
Dr. Mecklan ließ die Deckenbeleuchtung aufflammen. Kyan war schweißgebadet, und der Psychiater bot ihm Gelegenheit, sich zu duschen. Kyan aber lehnte ab.
»Was haben Sie entdeckt?« fragte er ungeduldig. Er stützte sich auf die Arme und sah dem Psychiater mit erwartungsvollen Augen entgegen.
Dr. Mecklan schwieg, in Gedanken versunken.
»Was haben Sie entdeckt?« forschte Kyan abermals.
»Ein Schema«, sagte der Arzt knapp.
»Und? Ist es der Erfolg meiner Behandlung?«
»Ja.«
»Erzählen Sie.«
Der Psychiater ließ die Couch herunter, und als sie in der passenden Höhe stoppte, setzte er sich auf ihren Rand. Er blickte Kassian Kyan voll ins Gesicht.
»Durch die entsprechenden Fragen«, begann er, »habe ich herausgefunden, daß Sie diese Melodie, die Sie so zermürbt, immer dann hören, wenn Sie an Mord denken. Nicht dann, wenn die damit zusammenhängenden Ereignisse der Vergangenheit Gegenstand Ihrer Überlegungen sind, sondern dann, wenn Sie an einen Mord denken, den zu begehen Sie sich wünschen. Die Melodie schwillt in dem Maße an, in dem Sie Ihre Gedanken intensivieren.«
»Und was, wenn ich zu töten versuche?«
»Dann, glaube ich, wird die Melodie so laut und schmerzend, daß Sie vermeinen, wahnsinnig zu werden.«
»Und bis zu welchem Grad des Mordgedankens ist die Melodie erträglich?«
Kassian Kyans Hände umkrampften die Kanten der Couch, bis die Knöchel weiß hervortraten.
»Ich möchte sagen – dreißig, höchstens aber vierzig Prozent. Also etwas über dem Durchschnitt. Sie wissen, was das bedeutet?«
Kyans Backenknochen spannten die Haut.
Der Psychiater sagte:
»Sie werden nie wieder morden können!«
*
Es war einige Tage nach Kyans Spezialbehandlung, achtundvierzig Stunden nach seinem Besuch bei Dr. Mecklan.
Der Wind strich durch die alten, knorrigen Bäume des Schloßgartens, der schon seit einem Jahrhundert keine Veränderung erfahren hatte. Nur das Gesinde des Hauses mähte hin und wieder das Gras, um dem Park das verwilderte Aussehen eines Waldes zu nehmen.
Die anderen Villen- und Schloßbesitzer in der Nachbarschaft fanden das Grundstück zwar unheimlich – und taten dies auch durch scheue Blicke kund, wenn sie an der schmiedeeisernen Umzäunung vorbeigingen –, doch Kyan, der hier aufgewachsen war, kümmerte das wenig. Er ließ den Besitz unverändert, wie er schon seit Generationen war. Er konnte so besser seinen Gedanken nachgehen, wenn ihn das Fluidum seiner Ahnen umfing. Oft wandelte er auf dem unebenen Gelände einher, und immer
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