10 SCIENCE FICTION KRIMINAL-STORIES
Selbstmord begeht«, sagte der Alte lakonisch. »Wie sein Großvater.«
Dr. Mecklan blieb abrupt stehen. »Sie wissen, was geschehen wird, und dennoch können Sie es zulassen?« Er war verblüfft. »Aber – aber Ihre Geburtsbehandlung müßte Sie doch …!« Der Alte blieb ebenfalls stehen, und als er Dr. Mecklan ansah, schienen seine Augen boshaft zu lächeln. Dann begann er zu sprechen, leise und dennoch eindringlich, aber mit einem diabolischen Unterton:
»Sie als Fachmann müßten eigentlich über die menschliche Psyche besser Bescheid wissen … Glauben Sie etwa, eines der ältesten Verbrechen, nämlich Mord, könnte wirklich durch unser System verhindert werden? Mit dem Tod Abels fing es an, und durch Jahrtausende hindurch – ja, immer schon – hat diese Eigenart des Menschen, seine Unvollkommenheit auszudrücken, jedem Gesetz getrotzt. Der Mensch läßt sich eine Gesellschaftsordnung ganz einfach nicht aufzwingen. Dem Tier in ihm kann man weder durch Androhung der Todesstrafe beikommen, noch mit der Geburtsbehandlung, die natürlich auch ihre Mängel aufweist.
So kann niemandem verwehrt werden, daß er den Freitod wählt, was im Grunde genommen auch eine Art von Mord ist …
An mir mußte die Geburtsbehandlung rückgängig gemacht werden. Wie sonst hätte ich mein Amt ausüben können?
Die Kyans wurden immer gefährlicher, also waren sie auszurotten. Ich bin also, streng genommen, ein Mörder. Aber es gibt noch Dutzende anderer Fälle, in denen keine Geburtsbehandlungen vorgenommen werden können. Bei körperlicher oder geistiger Schwäche des Kleinkinds, zum Beispiel. Natürlich wird dies den Personen nicht gesagt, aber wer garantiert, daß sie nicht eines Tages von selbst auf ihre mörderischen Fähigkeiten kommen und …?«
»Aber die Kyans wären ohnehin ausgestorben«, unterbrach Dr. Mecklan den Alten. »Kassian war der letzte seiner Sippe, und Sie selbst haben mir erklärt, er sei nicht zeugungsfähig.«
»Habe ich das?« erkundigte sich der Alte scheinheilig. Seine Augen waren schmale Schlitze. »Nun, es macht keinen Unterschied. – Sie haben sicher von der Familienspaltung Meillans-Kyan gehört. Auch wenn es allgemein üblich ist, von den Meillans als degeneriert zu sprechen, verhält es sich in Wahrheit genau umgekehrt. Die Meillans haben Geist, die Kyans sind – pardon! – waren mordlüsterne Idioten. Sie schrien prahlerisch ihre Taten in die Welt hinaus und erreichten damit nur, daß sich die zuständigen Gesetzesstellen ihrer annahmen. Die Meillans mordeten ebenfalls. Sie rotteten die Kyans einen nach dem anderen aus, aber sie tarnten ihre Morde. Einmal als Unfall, ein andermal als ordnungsgemäßen Strafvollzug – so wie ich heute.«
Der Alte glühte Dr. Mecklan an. »Auch Ich bin ein Meillans. Verstehen Sie jetzt?«
Sie setzten ihren Weg fort.
Dr. Mecklans Handflächen, die er tief in den Manteltaschen vergraben hatte, waren schweißnaß. Der Kies knirschte unter ihren Füßen. Der Nebel wurde immer dichter. Aus der Ferne ertönte die Sirene eines Rettungswagens.
Wurde lauter.
»Ich verstehe nur nicht, warum Sie mir das alles erzählen«, log Mecklan. Er schluckte, bevor er fortfuhr:
»Sie riskieren einen Skandal und mehr.«
Der Alte schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich habe Sie schon als meinen Nachfolger nominiert, Dr. Mecklan. Schließlich muß ich Ihnen für all die Informationen über Kyan danken … Da staunen Sie, was? Also, warum sollten Sie mich denunzieren? Aber Sie haben schon recht, ein Mörder muß unerkannt bleiben. Daran hätten sich die Kyans halten sollen, dann wäre mehr aus ihnen geworden als simple Prahlhänse! Wir haben uns hingegen immer danach gerichtet. Ein Meillans
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