10 SCIENCE FICTION KRIMINAL-STORIES
verborgen.
Die unglaublich harte Nadel drang unter die Schädeldecke. Das Kind war tot.
Die Tat vollbracht, wischte Benjacomin in aller Ruhe das Geheimnis aus dem Sand. Die Frau kam näher. Besorgt rief er ihr zu: »Schnell, Ma’am, kommen Sie her. Ich glaube, Ihr Sohn ist durch die Hitze ohnmächtig geworden.«
Er überreichte der Mutter den Körper ihres Sohnes.
Sie sah bestürzt drein. Ihr Blick war ängstlich und lauernd.
Sie wußte nicht, wie sie darauf reagieren sollte.
Einen schrecklichen Moment lang starrte sie ihm in die Augen.
Jetzt zeigten sich seine zweihundert Jahre Training … Sie entdeckte nichts. Der Mörder strahlte vor Unschuld. Der Falke hatte sich unter der Taube verkrochen. Das Herz lag hinter einer einstudierten Maske.
Benjacomin – an ein zuversichtliches Auftreten gewöhnt – entspannte sich. Er war bereit gewesen, nötigenfalls auch sie zu töten, wiewohl er Zweifel daran hegte, ob es ihm gelingen würde, einen erwachsenen Norstrilier zu überwältigen.
Überaus hilfsbereit sagte er: »Bleiben Sie hier bei ihm. Ich laufe zum Hotel und hole Hilfe. Bin gleich wieder da.«
Er drehte sich um und rannte. Ein Strandwächter wurde auf ihn aufmerksam, lief ihm entgegen.
»Das Kind ist krank«, schrie er. »Schnell, einen Arzt!«
Er kam eben noch zurecht, um im Gesicht der Mutter die dumpfe, schwere Erschütterung zu sehen, und gleichzeitig etwas, das beides, Ratlosigkeit und Schmerz, noch übertraf: Argwohn.
»Er ist nicht krank«, sagte sie. »Er ist tot.«
»Das kann nicht sein.« Benjacomin zeigte Anteilnahme. Er empfand sie auch. Er strömte über vor Mitleid – zwang sich, es in seiner Haltung auszudrücken, im Mienenspiel seines Gesichtes.
»Nein, das kann nicht sein. Eben noch habe ich mit ihm geredet. Wir spielten im Sand.«
Die Mutter öffnete den Mund, und als sie sprach, tat sie dies mit hohler, gebrochener Stimme, die sich anhörte, als würde sie nie wieder imstande sein, normale menschliche Laute hervorzubringen – statt dessen darauf beschränkt sein, in diesen flachen, vom Leid gezeichneten Tönen ewig weiterzuklingen.
»Er ist tot«, sagte sie. »Sie haben ihn sterben sehen, und ich glaube, ich ebenfalls. Ich weiß nicht, was passiert ist. Der Junge war voller Elixier. Er hatte noch tausend Jahre zu leben, doch jetzt ist er tot. Sagen Sie, wer sind Sie?«
»Eldon«, antwortete Benjacomin. »Eldon, der Handlungsreisende, Ma’am. Ich bin öfters hier.«
*
»Mutter Fettchens kleene Kettchens. Mutter Fettchens kleene Kettchens.«
Die sinnlose Wortgruppe kreiste in seinem Gehirn.
Wer war Mutter Fettchen? Wessen Mutter war sie? Was waren Kettchen? Etwa eine Verzerrung von »Kätzchen«? Also junge kleine Katzen? Oder waren sie etwas anderes?
Hatte er einen Narren umgebracht, nur um eines Narren Antwort zu erhalten?
Wie lange noch mußte er hier bei dieser argwöhnischen, vom Unglück so schwer getroffenen Frau verweilen? Wie lange noch mußte er zusehen und ausharren? Er wollte zurück nach Viola Siderea – das Geheimnis, unbefriedigend wie es war, seinem Volk übergeben, damit es untersucht werden konnte.
Wer war Mutter Fettchen?
Es kostete ihn einige Überwindung, aber er verließ sein Appartement und ging hinunter ins Foyer.
Die ermüdende Eintönigkeit eines großen Hotelbetriebes hatte zur Folge, daß ihn die übrigen Gäste interessiert betrachteten. Er war der Mann, der zugesehen hatte, wie das Kind am Strand starb.
Einige sensationslüsterne Klatschbasen, die sich hier aufhielten, hatten das phantastische Gerücht verbreitet, er habe das Kind umgebracht. Andere wieder suchten dieses Gerücht zu entkräften, indem sie erklärten, sie wüßten ganz genau, wer Eldon sei … Er,
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