10 SCIENCE FICTION KRIMINAL-STORIES
er sich selbst – er war sentimental. Seine Sentimentalität erreichte nie den Punkt, wo sie ihm wirklich unangenehm wurde, und Clay kannte die eigenen Grenzen.
Immerhin ist es nervtötend zu wissen, daß man unter dem prüfenden Blick eines allgegenwärtigen Auges lebt. Als er einen Monat später die Halle des Vanderman-Gebäudes betrat, wurde ihm klar, daß die Lichtwellen, die sein eigener Körper zurückwarf, sich unwiderruflich in die polierten Onyx-Wände bohrten und in den Fußboden, sich dort eingravierten und auf ein Gerät warteten, das sie wieder zum Leben erweckte, irgendwann, irgendeinmal, vielleicht für irgendeinen Menschen in der gleichen Stadt, der jetzt noch nicht einmal den Namen Sam Clay kannte. Später, als er in der Liege des Spiral-Liftes ruhte, der ihn rasch innerhalb der Wände nach oben trug, wußte er, daß diese Wände sein Ebenbild festhielten.
Vandermans Privatsekretärin begrüßte ihn. Clay ließ seinen Blick über den adrett gekleideten Körper dieser jungen Person mit dem attraktiven Gesicht gleiten. Sie sagte, Mr. Vanderman sei ausgegangen, und die Verabredung sei doch für drei Uhr, und nicht für zwei, oder? Clay sah in seinem Notizbuch nach. Er schnalzte mit den Fingern.
»Drei – Sie haben recht, Miss Wells. Ich war so sicher, daß es zwei war, daß ich mir nicht einmal die Mühe nahm, nachzusehen. Glauben Sie, daß er früher zurückkommen wird? Ich meine, ist er ausgegangen oder hat er eine Konferenz?«
»Er ist wirklich ausgegangen, Mr. Clay«, sagte Miss Wells. »Ich glaube nicht, daß er wesentlich früher als drei Uhr zurück sein wird. Es tut mir leid.«
»Gut, kann ich hier warten?«
Sie lächelte pflichtbewußt. »Natürlich. Hier ist ein Stereo, und die Magazine sind in dem Kasten.«
Sie machte sich wieder an ihre Arbeit, und Clay überflog einen Artikel über die Pflege von Mond-Echsen. Dies gab ihm die Gelegenheit, eine Unterhaltung mit Miss Wells anzuknüpfen, über die Frage, was sie von Mond-Echsen halte.
Es stellte sich heraus, daß sie über die Tiergattung keine Meinung hatte, überhaupt keine, und das Eis war gebrochen.
Typische Cocktail-Bekanntschaft, dachte Clay. Ich habe zwar ein gebrochenes Herz, aber, natürlich, ich fühle mich einsam …
Das Problem war nicht so sehr, sich mit Miss Wells zu verloben, sondern, überzeugend in sie verliebt zu sein. Das Auge schlief niemals. Immer öfter wachte Clay nachts auf, zuckte nervös zusammen und starrte schlaflos zur Decke. Aber selbst die Dunkelheit bot keinen Schutz.
*
»Es erhebt sich noch die Frage«, sagte der Soziologe an dieser Stelle, »ob Clay bewußt für ein bestimmtes Publikum Theater spielt oder nicht.«
»Meinen Sie, für uns?«
»Genau! Es ist mir eben eingefallen. Finden Sie, daß er sidi vollkommen natürlich verhält?«
Der Techniker überlegte.
»Ich würde sagen, ja. Ein Mann wird kaum ein Mädchen heiraten, nur um irgendeinen Plan durchfuhren zu können, oder? Schließlich belastet er sich mit einem ganz schönen Bündel Verantwortung.«
»Clay hat aber Josephine Wells noch nicht geheiratet«, gab der Soziologe zurück. »Außerdem, das mit der Verantwortung hätte vielleicht vor ein paar Jahrhunderten noch seine Gültigkeit gehabt, aber kaum heutzutage«, ereiferte er sich. »Stellen Sie sich eine Gesellschaft vor, in der ein Mann nach der Scheidung noch immer gezwungen war, eine vollkommen gesunde und selbständige Frau zu erhalten! Es war rudimentär, natürlich – ein Rückschritt in die Epoche, wo nur der Mann für den Lebensunterhalt sorgen konnte … Aber stellen Sie sich bloß eine Frau vor, die eine derartige Unterstützung akzeptierte! Wenn das nicht ausgesprochen infantil war …«
Der Techniker räusperte
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