100 Tage Sex
Annies Matte aus und nahm die gleiche entspannte Haltung ein wie die anderen Kursteilnehmer: auf den Knien (meine knackten dabei laut), der Po auf den Fersen, Arme und Hände weit nach vorn über den Kopf gestreckt, Handflächen und Stirn berührten den Boden. Schließlich betrat Adonis den Raum, und alle erhoben sich. Er sprach kurz über Mitgefühl und Liebe und faltete sich dann in die Position, die ein Hund einnimmt, wenn man ihm »Platz!« befiehlt. Alle folgten seinem Beispiel. Und so fand ich mich nach keiner Minute Yoga schon mit dem Hintern in der Luft, umringt von einer Horde Frauen. Allein die Anstrengung, diese Stellung zu halten, ließ mir in der Tropenhitze des Raums den Schweiß in Bächen herunterlaufen. Mein Körper glänzte nass, es tropfte mir von Stirn und Nase. Als Adonis die Stellung wechselte,
erkannte ich, dass mein langärmliges Hemd nicht nur unklug, sondern unerträglich warm war. Ich glaubte zu ersticken. Also zog ich das Hemd aus und warf es neben die Matte. Jetzt standen wabblige Brust, Arme und Marshmallow-Taille (eine weitere Folge der mittleren Jahre: bis Ende dreißig hatte ein Zusammenhang zwischen vertilgten Kalorien und Bauchumfang nur in der Theorie bestanden) offen zur Schau. Der direkte Vergleich mit dem perfekten Körper des griechischen Gottes betonte meine Schwabbeligkeit noch besonders.
Trotzdem machte ich tapfer weiter. Bald vergaß ich Wabbelbauch und -bizeps, die Saat der Eifersucht verkümmerte. Ich verlor mich in den Stellungen und in der alles verzehrenden 38-Grad-Hitze, und bald schienen sich meine Zipperlein zu verflüchtigen. Adonis - eigentlich: Billy - wusste, wie man Leute mitreißt. Ich zwang meinen Körper zu nie gekannten Verrenkungen. Er schmerzte, aber auf angenehme Weise. Yoga stärkte meine Libido, das spürte ich ganz genau. Und bald würden mir auch die verschlungensten Sexstellungen möglich sein. Knotensex.
Die Stunde endete. Wir lagen auf dem Rücken, die Augen geschlossen. Ich genoss die Hitze, meine gummiweichen Muskeln, die indische Musik. Dann erschrak ich: Billy hatte meine Füße ergriffen und massierte sie.
Das macht er sicher bei allen, dachte ich panisch.
Nur zwei Leute haben mir je die Füße massiert: Annie und die Frau, die mir die einzige medizinische Massage meines Lebens verpasste. Als Billy meine Sohlen streichelte, dachte ich: Ui, das fühlt sich merkwürdig an. Dann: Eine Menge Männer hätte damit sicher ein Problem. Und: Wow, das letzte Mal, dass ich eine Fußmassage bekam - vor etwa
zweiundzwanzig Stunden -, war das Vorspiel zum Sex, das machte die Sache doppelt befremdlich.
Als Billy meine Füße losließ, durchströmte eine Welle der Erleichterung meinen ganzen Körper. Ich linste, ob er noch jemand anderem die Sohlen massierte, aber er befand sich hinter mir, und ich wusste nicht, ob ich mich während dieser Ruhephase aufsetzen und umsehen durfte. Also blieb ich auf dem Rücken liegen, mit geschlossenen Augen, bis Billy mit ein paar abschließenden Worten zu Liebe und Mitgefühl die Stunde beendete und den Raum verließ.
Als ich wieder daheim war, zischte ich erst mal ein Bier, machte mir anschließend eine Tasse Kräutertee zur Entgiftung - mein ganz persönlicher Yin-Yang-Ansatz zur Krankheitsbekämpfung - und pilgerte dann zur Liebesgrotte, wo Annie mich schon erwartete. Abendessen und Zubettgehen der Kinder war ohne allzu großen Trubel abgelaufen. In Reizwäsche saß sie auf unserem Kingsize-Bett und sah großartig aus. Doch in ihren Augen erkannte ich Müdigkeit, die Folge eines langen Tages, angefüllt mit Arbeit, Kinderbetreuung, Aufräumen, der Unmenge an kleinen Dingen, die Familien- und Berufsleben mit sich bringen.
»Wie war’s?«, fragte sie.
»Erstaunlich«, sagte ich, während ich mich auszog. »Ich fühle mich nicht mehr krank. Im Grunde geht’s mir sogar großartig.«
»Wie schön, dass dir Yoga gefällt, DJ!«, rief Annie mit einer fast religiösen Begeisterung. »Das wird toll für …«
»Hat Billy dir am Ende auch die Füße massiert?«
»Was?«, wunderte sich Annie. »Er hat dir die Füße massiert?«
Ich war total verwirrt. »Ja! Massiert! Gestreichelt!«
»Das ist merkwürdig«, wunderte sich Annie. »Das habe ich ihn noch nie machen sehen.«
»WAS?«
»Reingefallen! Er massiert am Ende allen die Füße. Und es ist großartig.«
Ich atmete erleichtert auf. »Da hast du mich aber ordentlich verarscht!«
Nach meiner Dusche versuchten wir etwas Brandneues: Gleitmittel, letzte Woche bei
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