100 Tage Sex
beiden prima an. Kaum war sie da, setzte sie sich zu ihnen auf den Boden, auf Augenhöhe mit den Mädchen, und fing an, mit ihnen zu spielen. Wir küssten und herzten die beiden und winkten auf unserem Weg zur Tür wie verrückt.
»Tschüs, Kinder!«
»Wir lieben euch!«
»Wir sind bald wieder da!«
»Viel Spaß!«
Nur widerwillig wandten sich die Mädchen von der Babysitterin ab, um kurz zum Abschied zu winken, dann saßen wir im Auto, Richtung Rocky Mountains.
»Die Eggos waren ein Geniestreich«, sagte ich.
»Woran es nun genau lag, weiß ich gar nicht«, meinte Annie. »Auf jeden Fall schien es ihnen überhaupt nichts auszumachen, dass wir übers Wochenende wegfahren.«
Ich nickte bedächtig. »Das könnte einem schon zu denken geben. Andererseits ist es so immer noch besser, als wenn sie sich vor Verzweiflung am Boden gewälzt hätten. Unterm Strich sind wir ganz gut weggekommen.«
Bald hatten wir den lauwarmen Abschied unserer Töchter verwunden und plauderten angeregt bis Boulder, wo wir Mineralwasser für unsere Aschram-Hütte kauften. Fast alle Ehepaare mit Kindern bekommen untertags kaum je die Möglichkeit, sich vernünftig miteinander zu unterhalten. Wenn man sich auch noch gut verstand wie Annie und ich, durfte man keine Gelegenheit für ein Erwachsenengespräch auslassen. Also unterhielten wir uns über Freunde und Familie, schmiedeten Pläne für den Sommerurlaub, nahmen uns vor, noch mal Ski zu fahren und so weiter und so weiter.
Um uns wurde die Landschaft immer hochalpiner: Nadelbäume bogen sich unter der Schneelast, Riesenfelsen ragten empor, die kontinentale Wasserscheide kam in Sicht. Und dann bogen wir zum Aschram ein. Einfache Hütten lagen großzügig über das Waldgebiet verstreut; das
Ganze wirkte wie ein Ferienlager. Leute, die offenkundig zur ständigen Gemeinschaft des Aschrams gehörten - Männer mit langen Haaren, die sich auf ihren Köpfen zu einer Art Dutt türmten -, entfernten das Eis von den Wegen. Im Empfangsbüro dudelte Sitar-Musik, ein entrückt lächelndes Hippiemädchen reichte uns unsere Schlüssel, erklärte uns, wo die Hütte lag und hielt uns dazu an, am Abend zum Tempel zu kommen, allerdings nicht in Jeans oder Yogakleidung. »Oje!«, sagte Annie. »Ich habe nichts anderes dabei als Jeans und Yogakleidung. Und ich möchte heute Abend schon in den Tempel.«
»Kein Problem; das passiert ständig«, meinte das Mädchen und deutete auf eine Kiste mit durchscheinenden, wild gemusterten Röcken, wie Frauen sie einst auf Grateful-Dead-Konzerten trugen. »Bedient euch einfach.«
Ein Schild hinter ihr an der Wand mahnte: »Rauchen und Alkohol sind in Shoshoni nicht gestattet.«
In unserer Winzhütte war es kühl, an den Wänden hingen Poster von Hindu-Gottheiten, über dem Bett etwa Ganesha, der Gott mit dem Elefantenkopf. Ein dicker Nadelholzstamm zog sich über die ganze Länge der Decke. Wir packten die mitgebrachte Flasche Rotwein aus, drehten die Heizung auf, zogen uns aus und krochen zwischen die Laken. Man konnte hören, wie die Männer draußen auf das Eis einhackten. Grinsend zogen wir uns die Decke bis zum Hals und verflochten unsere warmen Gliedma ßen.
»Mir gefällt’s im Aschram«, bemerkte ich.
»Dir gefällt es nur, das Wort ›Aschram‹ auszusprechen.«
»Stimmt«, bestätigte ich. »So, und was willst du jetzt tun?«
»Das Gleiche wie du«, antwortete sie, langte nach unten und drückte sanft zu.
Ihre Lippen näherten sich meinem Mund, und blitzschnell wurde es noch wärmer.
Keine Stunde später mummelten wir uns dick ein und gingen zum Yoga hinüber. Es fand in einem hallenähnlichen Nebengebäude statt. Etwa zwanzig Leute füllten den nüchternen Raum, unter anderen ein Weißer mit gewaltigen braunen Dreadlocks. Wie wollige Pythons schlängelten sich die Zöpfe seinen Rücken hinunter. Es gab auch einen riesigen Kerl mit rasiertem Schädel und schmalem Oberlippenbart, der wie der Schurke aus einem Comic aussah. Annie erzählte mir hinterher, er habe sie während der Übungen ständig angeglotzt.
Typisch Schurke eben.
Die Dehnübungen taten gut, aber wir hatten uns beide inzwischen an die Bruthitze im heimischen Yogastudio gewöhnt. Die dortige Saunatemperatur saugte die Winterkälte aus den Knochen und lockerte Muskeln und Bänder. Im Studio des Aschrams war es kalt, aber genau für diesen Fall hatte ich meine gute alte Jogginghose mit den fünf Taschen dabei (Hallo Freund, schön, dich wiederzusehen!) . Die Yogasitzung war
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