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100 Tage Sex

Titel: 100 Tage Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Brown
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die Becher bis zum Rand füllten, Zeitschriften durchblätterten und kuschelten. Wir schliefen nicht miteinander, weil wir das am Nachmittag schon getan hatten, als die Typen draußen Eis hackten.
    Annie nahm einen Schluck Wein. »Die Zeremonie war bemerkenswert. So bunt. Und laut. Definitiv nicht die Art Gottesdienst, mit der ich groß geworden bin.«
    »Bestimmt nicht. Aber interessant«, antwortete ich.
    »Allerdings. Ich meine, eine mannshohe Statue eines Gottes mit Elefantenkopf, um den eine Blumengirlande hängt? Ein lachender Buddha? Friede und Liebe und Selbstlosigkeit? Was könnte man daran auszusetzen haben? Am Anfang, das muss ich zugeben, hatte ich allerdings meine Zweifel.«
    Annie reagiert ziemlich allergisch auf Gruppenzwänge. In der dritten Klasse hörte sie auf, Jingle Bells zu singen,
weil sie es »abgedroschen« fand. Ab der fünften Klasse sprach sie den Fahneneid nicht mehr mit, nachdem sie erfahren hatte, dass die Menschen in Nazideutschland zu ähnlichen Treuebekundungen gezwungen worden waren.
    »Aber die Zeremonie hat mir super gefallen«, erklärte Annie. »Überhaupt bin ich von allem begeistert: dem Yoga, dem Essen, der Gemeinschaft, dem Tempel.«
    »Das verstehe ich sehr gut«, sagte ich. »Noch in Vegas dachte ich, die Stadt wäre genau meins, aber jetzt gefällt mir das hier besser. Das hat mich echt überrascht. Ich möchte unbedingt wieder mal hierher.«
    »Mir geht es genauso«, stimmte Annie zu. »Allerdings tu ich mich mit dem Meditieren noch schwer.«
    »Du hast also gar nicht richtig meditiert?«, fragte ich.
    »Wenn das bedeutet, dazusitzen und an absolut nichts zu denken, dann nein.«
    »Hast du jemals echt meditiert?«
    »Ich habe es probiert, aber leider bisher ohne Erfolg«, sagte Annie. »Ich schaffe es einfach nicht, an nichts zu denken.«
    Wir schmiegten uns in unserem warmen Zimmer aneinander, tranken Wein aus Plastikbechern und hörten der kalten Welt zu, die draußen pfiff und stöhnte und klapperte. Wir redeten über unsere Mädchen, fragten uns, wie sie mit der Babysitterin zurechtkämen, und gestanden, dass sie uns fehlten, obwohl wir gerade erst zehn Stunden fort waren. Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Dieses »Vermissen« bedeutete nicht, dass wir ein großes Bedürfnis verspürten, sie in diesem Moment um uns zu haben. Ganz im Gegenteil genossen wir es, zu zweit an einem Ort zu sein, in dem es um die Bedürfnisse
von Erwachsenen ging, nicht um Kindervergnügungen wie Zoos, Geburtstagspartys und gemeinsames Malen.
    »Ich bin so glücklich!«, flüsterte Annie.
    »Ich auch«, antwortete ich. Ich hörte, wie Annies Atem sich veränderte, als sie in Schlaf sank. Ich saß im Dunklen auf dem Bett und versuchte zu meditieren - nicht zu denken -, aber die Gedanken setzten sich durch. Sie weigerten sich, zu verschwinden. Du bist schon daheim!, erklärten sie. Hier ist deine Heimat. Annie ist deine Heimat. Joni und Ginger sind deine Heimat. Und was ist Heimat? Liebe.

6
    Anfeuerungsrufe von allen Seiten
    WIR ERWACHTEN IN UNSERER HÜTTE in den kalten Bergen, fern unserer Kinder, und, ich zögere das hinzuschreiben: Wir fühlten uns geradezu euphorisch. Das mag weniger an der Abwesenheit der Kinder gelegen haben als vielmehr daran, dass wir länger schlafen durften und danach nicht Frühstück für alle machen und hinterher zum Fußballtraining hetzen mussten. Heute würden wir unsere wertvolle Freizeit nicht damit verbringen, von einer Kindervergnügung zur nächsten zu jagen.
    Heftige Windstöße trieben Schnee vom Dach, die Flocken wirbelten und kreisten wie die Geister von Derwischen. Wir beobachteten, wie die dunklen Nadelbäume sich an den Flanken der umgebenden Berge wiegten. Die ganze Szenerie war wild und erregend, und wir hätten direkt zum Frühstück gehen können, dann zum Vortrag eines Swami und danach beispielsweise zu einer Runde Atemübungen. Aber wir taten nichts davon. Sondern blieben in unserer warmen Hütte und schliefen miteinander.
    »Lass uns das interessante Gleitmittel ausprobieren, das ich von der Messe mitgebracht habe«, sagte Annie, flitzte
über den kalten Boden zum Kulturbeutel und holte eine Packung Gleitmittel heraus, das angeblich besonders die Klitoris stimulierte. Kurz nachdem wir es aufgetragen hatten, begannen wir, uns zu küssen. Bald berichtete Annie, die Hersteller hätten möglicherweise »stimulieren« mit »reizen« verwechselt. Ich überlegte kurz, ob ich anmerken sollte, dass »reizen« ja nicht nur »irritieren«

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