100 Tage Sex
ihnen - mit diesem Hinweis versuchte ich Annie zu überzeugen, dass der Termin längst nicht so traumhaft gewesen war, wie er sich vielleicht anhörte, sondern recht bodenständig. (Was ja auch stimmte.) Gleichzeitig, das muss ich allerdings einräumen, hatte Annie Essen kochen, aufräumen und die Kinder ins Bett bringen müssen.
»So, Striptease für die Ehemänner?«, sagte Annie. »Wirkte das Ganze sexy? Hat es in dir den Wunsch geweckt, dass ich für dich strippe?«
»Bei einigen sah es ziemlich verführerisch aus«, räumte ich ein. »Ich würde dich voll unterstützen, wenn du einen Stripkurs belegen wolltest. Könnte lustig sein.«
Annie sah auf die Uhr; es war elf. »Wir sollten jetzt beide ein wenig strippen, sonst wird das heute nichts mehr!«
Ich plante, in einer Reihe von Artikeln darzulegen, dass Pornografie in der amerikanischen Kultur inzwischen fast ebenso sehr zum Mainstream gehörte wie Rock and Roll. Dafür interviewte ich auch Annies Heißwachs-Frau. Sie berichtete, der neueste Trend an den Küsten sei inzwischen Schließmuskel-Bleichen. Pornostars hatten gefunden, ihre, ähem, Polöcher, wirkten auf Video zu dunkel, und begonnen, sie sich bleichen zu lassen. Als ich dieses überraschende Nugget an Information hörte, musste ich lauthals lachen. »Schließmuskel-Bleichen«, japste ich. »Das ist ja zum Brüllen.«
»Das läuft dann so«, sagte die Heißwachs-Frau, »die Pornostars lassen sich ihre Polöcher bleichen, das Publikum sieht das, sagt sich: ›So eins will ich auch‹ und tut es ihnen nach. Bei der Schamhaarentfernung lief es ähnlich. Bevor Pornos sich so durchsetzten, ließ sich niemand die Schamhaare wegmachen. Jetzt wollen alle eine Heißwachsbehandlung oder rasieren sich zumindest.«
Annie fand es toll, dass ich ihre Heißwachs-Frau interviewte. Kaum waren die Kinder im Bett, quetschte sie mich nach Details aus.
»Gebleichte Polöcher«, staunte ich noch einmal, nachdem ich Annie den Siegeszug des Phänomens von seiner Entstehung in der Pornoindustrie bis in die Alltagskultur geschildert hatte. »Unfassbar.«
»Ich muss hier wohl nicht erst erwähnen, dass für mich beim Heißwachs Schluss ist«, sagte Annie.
»Keine Frage«, beruhigte ich sie. »Ich verstehe auch gar nicht, was daran so erotisch sein soll. Weißt du übrigens, woran ich denken musste, als ich die Wachs-Frau interviewte? Dass sie sich ausführlicher mit deiner Vagina beschäftigt
hat als sonst ein Fremder, seit wir zusammen sind.«
»Ja, selbst meine Frauenärztin widmet ihr weniger Zeit - viel weniger«, sagte Annie. »Und natürlich schmerzt es, wenn die Heißwachs-Frau ihre Arbeit tut, es ist also ganz etwas anderes, als wenn du dich meiner Vagina widmest.«
Annie ging zur Tür und schloss ab. Auf dem Rückweg lupfte sie kurz den Saum ihres Nachthemds und gewährte mir einen kurzen Blick auf ihren nackten Schamhügel.
Wunderbare Zeiten!
Nachdem wir miteinander geschlafen haben, fühle ich mich oft, als würde mein Herz singen. Sex ist gratis und, solange man »safe sex« betreibt, sogar gesund. Warum sind also nicht alle sexsüchtig? Vermutlich liegt das an dem Aufwand und der Anstrengung, die nötig sind, um den erotischen Höhepunkt und seinen Nachglanz zu erlangen. Dieser traumhafte Zustand ist ein Schatz, den man aber erst nach emotionalen, körperlichen und manchmal sogar spirituellen Anstrengungen heben kann. Zugegeben, manche Leute schaffen es, den physischen Akt von den manchmal komplizierten Emotionen dahinter zu trennen. Zum Beispiel die Pornodarstellerin, mit der ich ein Interview vereinbart hatte.
Wir hatten verabredet, am kommenden Freitag gemeinsam die Veranstaltung »Sex und so viel mehr« im Kongresszentrum von Denver zu besuchen. Dort drehte sich alles um Sex und - natürlich - die vielen Produkte und Dienstleistungen drum herum. Am Ende unseres ersten Telefonats sagte sie: »Wir sehen uns dann am Freitag. Wer weiß, vielleicht hole ich Ihnen [Rauschen in der Leitung].«
Ich hatte keine Ahnung, was sie gerade gesagt hatte, antwortete aber fröhlich: »Klingt prima.«
Kurz nachdem ich aufgelegt und mich ein wenig auf ihrer Website umgesehen hatte, wusste ich, dass die Frau berühmt für ihre Kunstfertigkeit mit der Hand war. Und erst da kapierte ich, was sie am Telefon gemeint hatte. Oje, das konnte heikel werden. Würde sie versuchen, mich in eine finstere Gasse zu drängen, mit einer gleitmittelfeuchten Hand?
Und, bist du bereit?
Als die Kinder im Bett waren, legten wir die
Weitere Kostenlose Bücher