1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
morgendlichen Sonnenschein belohnt und es war zu dieser Zeit noch niemand hier. Das Kloster ist ein Touristenmagnet und normalerweise überlaufen. Und ich war nun alleine hier.
Das Kloster San Juan de la Pena wurde im neunten Jahrhundert gegründet. Es ist auf einer Bergspitze in und unter einen Felsvorsprung gebaut worden und sehr gut erhalten. Das besondere an diesem Gebäude ist, dass hier einige Jahrhunderte der Heilige Gral aufbewahrt worden sein soll. Eine Kopie davon ist im Kloster unter Plexiglas ausgestellt.
Alleine durch diese alten Mauern zu gehen und sich darüber klar zu werden, was dieses Gebäude schon alles erlebt haben musste, war ein faszinierendes Erlebnis für mich. Als ich dann vor der Schale stand, mit der man, wie die Legenden berichten, einst das Blut Jesu Christi aufgefangen haben soll, vergaß ich einige Minuten um mich herum Raum und Zeit — ich stand nur da. Nach einiger Zeit, als ich draußen die ersten Touristenbusse ankommen hörte, kam ich wieder zu mir. Diese Minuten der absoluten Ruhe und Einsamkeit hier vor diesem Gefäß waren ein wertvolles Geschenk, für das ich bis zum heutigen Tag dankbar bin.
Vor dem Kloster traf ich auf drei Pilger aus Deutschland, die tatsächlich seit dem Morgen um fünf Uhr unterwegs gewesen, und hier zu Fuß angekommen waren. Die drei waren mit Zelten unterwegs und hatten als passionierte Bergwanderer die Pyrenäen überquert. Wir teilten uns bei einem gemeinsamen Pilgerfrühstück auf einer Holzbank Schoko- und Müsliriegel und ich lernte drei interessante, völlig unterschiedliche Männer kennen.
Ich wuchtete meinen Rucksack wieder auf, um mich auf den Abstieg zu machen, da stieg aus einem Bus eine junge Frau aus, die mir spontan zuwinkte. Ich hatte keine Ahnung, wer das sein sollte, und dachte an eine besonders zuvorkommende Pilgerin, winkte zurück und ging in Richtung eines schmalen Weges in den Wald hinein.
Mit der zunehmenden Stille kehrte das Gefühl aus dem Kloster wieder zurück. Was hatte ich für ein Glück. Die Entscheidung zu treffen, diese Route hierher zu wählen und dann fast zwanzig Minuten alleine in dem Kloster verbringen zu dürfen. Ich konnte nicht anders und bedankte mich mehrmals laut in den Wald hinein.
Der Abstieg führte mich zuerst durch ein dichtes Waldgebiet, das sich zwei-, dreimal an Berghängen öffnete und einen grandiosen Blick in die Täler erlaubte und schließlich immer steiler wurde. Und wenn ich dachte, es geht nicht steiler oder enger, wurde es doch noch unangenehmer. Dazu kamen dann auch noch Geröllsteine, auf denen ich befürchtete, einen Abflug zu machen. Das war schon ziemlich heftig und für mich als unerfahrenen Wanderer definitiv eine zu schwierige Strecke. Aber ich war ja nun mal hier. Seit dem Kloster hatte ich niemanden gesehen — wahrscheinlich waren die anderen Pilger schlauer gewesen und hatten auch den Abstieg per Bus gebucht. Ein-, zweimal rutschte ich aus und hätte meine Reise beinahe hier schon beenden können. Doch zum Glück fing ich mich wieder und legte den Rest des steinigen Abstieges im Schneckentempo zurück.
In einem kleinen Ort namens Santa Cruz de la Servos rastete ich an einem schattigen Dorfplatz, der an der Kirche des Ortes und dessen Brunnen gelegen war. Eine französische Pilgerfamilie mit Vater, Mutter und zwei erwachsenen Söhnen saßen nicht weit entfernt und hielten ihr Mittagessen mit Wurst, Käse und Brot ab. So feudal ging es bei mir nicht zu. Aber es tat gut, nach den Strapazen das kalte Wasser aus dem Brunnen zu trinken und zwei Müsliriegel zu verspeisen. Eine kurze Kontaktaufnahme einer der Franzosen scheiterte kläglich an dem Mangel an Sprachkenntnissen und so machte ich mich nach einer knappen Stunde wieder auf den Weg.
Als ich eine Weile gegangen war, hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, falsch zu sein. Seit einiger Zeit hatte mich kein gelber Pfeil des Weges gewiesen. Es war kurz nach Mittag und die Temperatur war etwa dreißig Grad. Jeder kleinere Aufstieg hier auf meinem Abstieg brachte mich ziemlich außer Atem. Die Wege abseits der eigentlichen Route waren lange nicht so gut ausgeschildert und schon gar nicht präpariert. Es folgten Abschnitte, die sehr steil und auch noch sehr schmal waren. Die Gegend sah immer gleich aus und so wanderte ich von Hügel zu Hügel ohne einen Bezugspunkt, in der Hoffnung, die richtige Richtung eingeschlagen zu haben. An einem etwas übersichtlicheren Höhenkamm hielt ich für eine kurze Rast an. Ich drehte mich einmal
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