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1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg

1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg

Titel: 1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Jakob Weiher
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verschweißt. Die Iso-Matte, ein Kamerastativ und zwei Alutrinkflaschen hatte ich in einer riesigen Plastiktüte zusammen mit der Kameratasche als Handgepäck im Flieger mitgeführt. Diesen ganzen Kram musste ich jetzt natürlich vor Beginn der Wanderung sortieren und einigermaßen intelligent verstauen. Dazu war es nötig, den kompletten Rucksack auszupacken. Also suchte ich mir erst mal eine ruhige Ecke, wo ich mich ein wenig ausbreiten konnte. Nicht einfach in einer Pilgerherberge. Jetzt schienen mir die Dinge, die ich mitgenommen hatte, so zahlreich. Und die ganze Zeit spürte ich, wie mich jemand im Raum beobachtete. Eine Frau saß am Tisch in der Ecke und schien auf jemanden zu warten.
    Irgendwann waren mein Rucksack ich und reisefertig. Ich verließ als letzter das Zimmer und traf alle wieder im Frühstücksraum. Jörg winkte mich zu sich. Er hatte sein Frühstück gerade begonnen. Eine große Tasse Kaffee, bretthart gebackener Toast, der auch als Zwieback durchgegangen wäre, mit Konfitüre und Butter waren in den Übernachtungskosten von zwölf Euro inbegriffen.
    Ich trat das erste Mal vor die Tür und mich erwartete ein herrliches Bergpanorama. Als wir gestern hier im Dunkeln angekommen waren, konnten wir nicht sehen, dass nur zwanzig Meter neben der Pilgerherberge das erste Wegzeichen in einen schmalen Weg ins Tal zeigte. Zwei Damen kamen aus der Türe, schon komplett bepackt und baten mich auf Spanisch, ein Foto von ihnen zu machen. Die schöne Bergkulisse der Pyrenäen im Hintergrund, machte ich zwei Fotos und verabschiedete die Damen mit einem „Buen Camino“, meinem ersten Pilgergruß.

    Mir fiel ein, dass ich ja auch Fotos machen wollte. Ich hatte mir extra für diese Reise ein modernes Handy mit einer integrierten, hochwertigen Kamera zugelegt. Ich machte das erste Foto am Weg, ohne zu ahnen, dass es einige hundert werden sollten.
    Als ich zurück in die Herberge ging stand Jörg schon in voller Montur abreisebereit.
    „Du, Werner“, sagte er, „wir müssen jetzt aber nicht immer zusammen gehen?“
    „Nein, nein“, antwortete ich, „lass jeden von uns sein Tempo gehen. Ich wünsche dir einen guten Weg.“
    „Das wünsche ich dir auch. Wir sehen uns. Und denk an deinen Stempel.“
    Mit diesen Worten ging er mit einem Lächeln an mir vorbei.
    Na klar. Vor lauter Aufregung hatte ich fast vergessen, mir meinen ersten Stempel in meinen Pilgerpass geben zu lassen. Dann wuchtete ich meinen Rucksack auf und ging meine ersten Meter. Ich war sehr stolz.
    Nach einigen hundert Metern ins Tal hinunter traf ich an einer großen Hinweistafel die beiden Damen, die ich fotografiert hatte. Jörg war schon nicht mehr zu sehen und so folgte ich dem Weg. Es fühlte sich alles so gut an. Ich fühlte mich genau richtig hier und als es einen kleinen Hang hinauf ging, augenblicklich in meine Kindheit versetzt. Als ich etwa fünfzehn Jahre war, hatte ich mit der Familie eine Wandertour in Österreich gemacht, bei der ich ein richtiges Edelweiß in den Gipfelregionen gepflückt hatte. Das war genauso ein Gefühl in der Stille dieser Berglandschaft.
    Die Sonne zauberte wunderschöne Lichtspiele zwischen den Bergen in die Täler. Das sah so schön aus, dass ich das ein und andere Mal stehen blieb und mir dieses Schauspiel ansah. In einem solchen Moment schritt die Frau aus der Herberge, die meine Packorgie beobachtet hatte, an mir vorbei. Sie sah mich kurz ohne etwas zu sagen, mit ernstem Gesicht an und zog in einem recht strammen Tempo weiter.
    „Hm, wohl noch nicht ganz ausgeschlafen“, dachte ich mir und konzentrierte mich wieder auf die Natur. Die ersten Kilometer machten mir einen Riesenspaß.
    Vier Wochen lang hatte ich auf diesen Moment hingearbeitet. Und den Plan, den Jakobsweg zu gehen, habe ich dann auch die ganze Zeit für mich behalten. Bei meiner Abreise wussten nur vier Personen, wo ich die nächsten sechs Wochen sein würde. Alle anderen habe ich beim Einchecken am Flughafen mit einer SMS von meinem Handy aus informiert. Dann habe ich das Handy ausgeschaltet und war nur noch für einen Freund, der sich um meine Post, Bank und ums Haus kümmerte, für den absoluten Notfall erreichbar. Und ich konnte mir eigentlich keinen Notfall vorstellen, der mich zurückgeholt hätte.
    Um meiner Familie, Freunden, Bekannten und Kollegen die Möglichkeit zu geben, trotzdem zu wissen, was ich so machte, hatte ich mir etwas einfallen lassen. Ich hatte eine Internetseite ins Netz gestellt. Auf dieser Seite hatte ich mein

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