1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
Projekt „Jakobsweg-live“ dargestellt. Mit meinem schon erwähnten Handy wollte ich von jedem Tag meiner Reise Fotos, kurze Videoclips und als besondere Überraschung, jeden Tag Live-Kommentare, die ich während des Wanderns aufnehmen wollte, täglich auf die Seite stellen. So konnte jeder abends sehen und hören, was ich erlebt hatte. Was aus dieser Internetseite einmal werden würde, konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen.
In mir wuchs der Gedanke, dass eine meiner wichtigsten Fragen für den Jakobsweg die war, wie ich in Zukunft mein Leben gestalten sollte. Als ich mit diesen Gedanken fünf Tage vor meiner Abreise abends ins Bett ging, wachte ich morgens mit einem ganz bestimmten Gefühl aus einem Traum wieder auf. Dieses Gefühl bestätigte mir, dass ich mich in die richtige Richtung bewegte.
In nur eine Richtung ging mein erster Tag auf meiner Pilgerreise. Nämlich immer nur entlang der gelben Pfeile, die überall aufgemalt den richtigen Weg anzeigten. So einfach kann das Leben sein. Und wenn man die Augen offen hält wird es noch einfacher.
Die schönen Sonnen- und Schattenspiele in den Bergen und Tälern waren mir schon aufgefallen. Aber etwas hatte mich irritiert. Nachdem nämlich die wortlose Frau an mir vorbei gegangen war und ich mich wieder den Lichtspielen zugewandt hatte, sah es einen Moment so aus, als würden Sonnenschein und Schatten wie in einer Welle in eine Richtung verlaufen — in die Richtung des Weges.
Am frühen Mittag kam ich in ein schattiges Tal, wo der Weg an einem Zaun zu enden schien. Als ich mich umsah, konnte ich ein paar Sonnenstrahlen sehen, die durch eine Baumgruppe auf einen kleinen Durchgang schienen, durch den der Weg weiter führte.
„Wow“, dachte ich bei mir, nach diesem himmlischen Wegweiser, „da bin ich aber mal gespannt auf die restlichen neunhundertundachtzig Kilometer.“
Nachdem ich den „beleuchteten“ Durchgang passiert hatte, lief ich gleich auf eine kleine Herde Kühe zu, die friedlich grasten. Sie würdigten mich keines Blickes. Sie hatten sich wohl an die vielen Menschen gewöhnt und schienen sich nicht daran zu stören, dass der Jakobsweg direkt über ihre Weiden führte. Der Weg führte durch sehr schöne Laubmischwälder in ein kleines Tal und mündete in einen richtigen Blättertunnel.
Ich atmete tief durch und genoss die herrliche Natur. Niemand war zu sehen. Ich war allein und fühlte mich frei wie ein Vogel. Dies waren meine ersten Kilometer, aber das war schon besser, als ich mir „Wandern“ vorgestellt hatte.
Der Entschluss, meine Reise auf einem Höhenpass zu beginnen, hatte außer den schon erwähnten Gründen, noch einen anderen, für mich sehr angenehmen Grund. Und zwar den, dass ich meine Pilgerreise in ein Tal herab beginnen würde und nicht, wie die andere, gängigere Route aus Frankreich, die nämlich mit einem zweitägigen, steilen Aufstieg begann. „Hinab in das Tal des Aragon durch die reizvolle Pyrenäenlandschaft“ hatte es in meinem Reiseführer geheißen. Das hörte sich für mich sehr einladend an. Was ich nicht erwartet hatte war, dass ein Abstieg nicht nur abwärts führt. Und so wunderte ich mich an diesem ersten Tag, dass es doch ziemlich oft auch bergauf führte, wobei ich die knapp fünfzehn Kilogramm auf meinem Rücken deutlich spürte. Aber die beeindruckende Natur machte dies wieder wett.
Nachdem ich über eine sehr schöne, mittelalterliche Brücke den Fluss Aragon überquert hatte, machte ich in einem Ort namens Villanua meine erste richtige Rast. Zwischendurch hatte ich mich mit Wasser und Müsliriegeln versorgt, aber hier duftete es aus einigen Häusern sehr gut nach Essen.
Ich saß auf einer steinernen Bank im Schatten neben dem Fluss und genoss mein verspätetes Mittagmahl, als ich von einem Pilger auf Englisch angesprochen wurde.
„Hallo. Wo kommst du her?“ wollte Richard aus Kanada wissen.
Ich antwortete brav und dachte mir, wie er und seine Freundin wohl auf den Gedanken gekommen waren, sich von Kanada aus auf den Jakobsweg in Spanien aufzumachen. Ich war aber noch etwas zurückhaltend und meine Englischkenntnisse waren etwas eingerostet.
So beschränkte sich die Unterhaltung auf die restliche Wegstrecke, die noch vor uns lag.
Die sollte aber von hier aus nur noch ständig bergab führen. Bei strahlendem Sonnenschein bewegte ich mich durch die Pyrenäenlandschaft in Richtung Jaca, meinem heutigen Etappenziel. Und so freute ich mich sehr als ich einen Wegweiser las „Castiello de Jaca
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