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1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg

1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg

Titel: 1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Jakob Weiher
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war schon oft auf dem Jakobsweg unterwegs gewesen. Er war ein schüchterner kleiner, untersetzter Mann um die fünfzig, der zahlreiche herrliche Geschichten zu erzählen hatte. Er blühte im Laufe des Abends richtig auf und brachte sich immer mutiger ein in die Gespräche, die dann um elf Uhr langsam ein Ende nahmen. Ich lag müde in meinem Bett und dachte noch darüber nach, wie herzlich die Menschen hier aus den verschiedensten Ländern, im Alter von zwanzig bis über fünfzig miteinander umgingen.
     

Tag 8
     
    Tiebas / Obanos / Puente la Reina
     
    Zuerst dachte ich zu träumen, aber ich wurde wach von leisem Geburtstagsgesang. Einige Mitpilger saßen schon in der Küche. Es duftete nach Kaffee und Toni lief mit einem kleinen Kuchen mit einer brennenden Kerze umher. Er feierte seinen dreiundzwanzigsten Geburtstag.
    „Wo hatten die hier denn bloß den Kuchen herbekommen?“ dachte ich mir und schälte mich langsam aus der oberen Etage meines Bettes. Nach einer kurzen Dusche gratulierte ich auch brav und bekam noch einen winzigen Teil des Kuchens. Toni sah gar nicht gut aus. Er grinste zwar wie ein Honigkuchenpferd, weil ihm die ganze Pilgerherberge der Reihe nach gratulierte, aber er war am Abend noch mit seinen Freunden draußen feiern gewesen und das bis nach Mitternacht in seinen Geburtstag hinein.
    Wieder folgte ein eher improvisiertes Frühstück mit Instantkaffee und Müsliriegel in einer immer voller werdenden Küche. Der Blick durchs Fenster in das spärliche Licht der aufgehenden Sonne verhieß nichts Gutes. Nasser Asphalt und heranziehende dunkle Wolken trübten die Stimmung ein wenig. Nach und nach machten sich alle zum Aufbruch bereit. Eine Art Sammelpunkt war die große Diele. Diesmal schien es mir, als würden sich verschiedene Gruppen aufeinander wartend bilden, um dann zusammen aufzubrechen. Als ich mit meinem Regenponcho nach draußen trat, standen da auch meine Freunde um Monica, Martin, Bruno und Toni.
    Wir zogen langsam los in einen leichten Nieselregen hinein. Einen Kilometer später, kurz bevor wir den Ort verließen, deckten wir uns an einer Fernfahrer Tankstelle mit Süßigkeiten und Cola ein. Man spürte, dass die Gruppe heute nicht so wirklich losziehen wollte. Der Vorwärtsdrang fühlte sich zäh an. Ein paar Meter weiter stand eine alte Frau dösend in einem Türrahmen. Monica fragte sie nach dem Weg. Als sie realisiert hatte, dass wir Pilger waren, kam sie zu uns, um jeden von uns mit Handschlag zu begrüßen. Sie strahlte uns an und wollte genau wissen, wo wir herkamen und hinwollten. Sie hatte fast Tränen in den Augen, als sie den Wunsch aussprach auch einmal selbst den Jakobsweg zu gehen, es bisher aber nie getan hatte und nun sei sie wohl zu alt.
    Wir waren alle gerührt von der alten Dame, die uns noch lange hinterher winkte und so schritten wir mit dem richtigen Elan weiter voran. Den richtigen Weg wussten wir immer noch nicht, und so folgten wir bis zum Ortsende der Hauptverkehrsstraße, auf der zahlreiche Lkw sehr schnell und sehr knapp an uns vorbei donnerten. Jeder der Gruppe hatte dabei jeden anderen im Auge, wie bei einer Seilschaft, wo auch jeder auf den anderen aufpasst. An einer Straßenkreuzung mussten wir dann die Reiseführer zur Hilfe nehmen. Aber auch die konnten uns nicht wirklich helfen. Martin und Monica diskutierten über die eine oder andere Richtung, bis Monica meinte, sie sei sich sicher, in welche Richtung wir gehen müssten. Entschlossen schritt sie voran.
    Wir vier Männer standen da und trafen etwas widerwillig die Entscheidung, ihr zu folgen. Ich versuchte mit einem Mischmasch aus Englisch und Spanisch Martin zu erklären, was es in Deutschland für Vorurteile bezüglich „Frauen und Wege finden“, geben würde. Er verstand mich sofort und meinte, genau das würde man in Spanien auch denken. Wir fingen laut an zu lachen. Monica, die einige Meter voraus gegangen war, drehte sich um und schaute uns an — kein Wort — nur Blicke, aber wir wussten alle Bescheid.
    Plötzlich standen wir vor einer Bahnlinie und schauten uns an. Kein Anzeichen von einem Weg. Monica war immer noch entschlossen, auf dem richtigen Weg zu sein, wohin der auch immer führen sollte, und ging auf einen einsamen, parkenden Wagen zu. Sie klopfte an die Seitenscheibe und ein völlig verschlafener Spanier kurbelte widerwillig die Scheibe herunter. Nach wenigen Sekunden kam sie mit einem Lächeln zu uns zurück und deutete in eine Richtung.

    „Wir sind richtig. Da lang geht es.

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