1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
die ich auf jeden Fall brauchen würde, Dinge, die ich wahrscheinlich brauchen könnte, und die, von denen ich dachte, sie unbedingt brauchen zu müssen.
„Wo ist dem Zelt?“ fragte Monica.
„Wieso Zelt? Hab ich nicht. Was soll ich mit einem Zelt?“ erwiderte ich entgeistert.
„Warum schleppst du dann eine Isomatte mit dir rum?“
„Ja stimmt“, wurde ich kleinlaut.
„Weg damit!“ war ihr kurzer, knapper Kommentar. Gegen meine jeweils drei Paar Socken, Unterhosen und T-Shirts, meine Badeschlappen und die kurze Hose hatte sie mit einem knappen Wink und einem „ok“ nichts einzuwenden. Dann kam mein Verbandskasten zum Vorschein, und der entlockte ihr das erste unterdrückte Grinsen.
„An was für einer Katastrophe willst du denn teilnehmen? Willst du bei einem Flugzeugunglück helfen?“ Ich zeigte den fast kompletten Inhalt eines handelsüblichen Auto Verbandskastens inklusive Aludecke vor. Die ersten fingen an zu lachen. Danach kamen meine spitzen Adidas Joggingschuhe zum Vorschein. Monica lachte.
„Willst du zwischen deinen tausend Kilometer wandern auf dem Jakobsweg auch noch eine Runde joggen gehen?“ Es entwickelte sich ein Schlagabtausch zwischen Monica und mir. Die anderen lachten nur noch über die Situationskomik. Ich erkannte die Gelegenheit und ergab mich wehrlos in die Rolle des Vollidioten. Nach und nach zog ich völlig überraschende Dinge aus meinem Rucksack wie ein Zauberer aus seinem Zylinder und die Vorstellung war grandios. Ich versuchte zu erklären, warum ich dieses oder jenes doch so dringend auf dem Jakobsweg brauchen würde, aber das machte alles nur noch schlimmer. Nach ein paar Minuten standen den meisten die Tränen in den Augen.
Selbst Monica brauchte immer wieder einen Moment, um Luft zu holen, bevor sie den nächsten Kommentar abgab. Martin und Bruno lagen sich in den Armen. Zwischendurch ging die Tür auf und vom Flur aus schauten andere Pilger kurz herein, was denn hier abging. Ob es mein Maniküreset war, oder mein Barthaarschneider, nichts konnte sie beruhigen und so hatte auch ich vor Lachen die Tränen in den Augen stehen.
Als ich dann zum guten Schluss von ganz unten meine feuchten Toilettentücher und meine Gesichtserfrischungstücher wortlos herauszog und die Gruppe diese erkannten, warfen sie sich vor Lachen auf den Boden. Es dauerte Minuten, bis sich alle wieder erholt hatten und es passierte im Laufe des Abends immer wieder, wenn mir jemand von meinen Freunden über den Weg lief, dass er oder sie spontan anfing zu lachen.
Später am Abend sah ich Monica im Internet surfend am Computer sitzen. Die anderen waren in den Ort gegangen. Nachdem ich meinen Rucksack gereinigt und neu gepackt hatte, setzte ich mich wieder ins Restaurant. Im Fernseher liefen immer noch die Bilder der Überschwemmungen. Ich setzte mich wieder mit dem Rücken zur Mattscheibe und studierte meinen Reiseführer als Monica sich zu mir setzte. Das Lachen stand ihr immer noch ins Gesicht geschrieben.
„Du bist schuld, wenn ich morgen Muskelkater habe“, sagte sie auf Englisch.
„Für diesen Muskelkater bin ich sehr gerne verantwortlich“, grinste ich, „ich habe gesehen, dass du im Internet warst“, fragte ich sie.
„Ja. Ich habe Emails von meiner Familie gecheckt.“
„Und? Geht es deiner Familie gut? Ist alles in Ordnung?“ „Ja“, antwortete sie, „mein Bruder hat mir geschrieben und meine Mutter. Und was ist mit deiner Familie? Hast du Kontakt nach Hause?“
„Nein“, sagte ich, „ich habe mir die sechs Wochen ganz frei gemacht. Ich stehe diese Zeit völlig außerhalb meines bisherigen Lebens. Niemand kann mich erreichen. Egal, was zu Hause passiert, ich will es nicht wissen und komme erst nach dieser Zeit wieder zurück.“ Monica schaute mich jetzt wieder etwas ernster an.
„Und deine Familie, Freunde und Arbeitskollegen wissen gar nichts? Machen die sich keine Sorgen?“ Ich erklärte ihr, dass ich eine Internetseite eingerichtet hatte, auf die ich täglich Kommentare, Fotos und kurze Videoclips sendete, um den zuhause Gebliebenen einen Einblick in das zu geben, was ich hier gerade mache.
„Aha. Darum also die Kamera und das Stativ?“
„Nein“, erwiderte ich, „mit der Kamera und dem Stativ mache ich Aufnahmen, von denen ich später eine DVD über meine Reise machen will.“ Jetzt wurde sie noch ernster. Wir begaben uns nun in eine Diskussion, die wir beide nicht in unserer Heimatsprache führen konnten. Alleine deswegen legte ich jedes Wort auf die
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