1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
ein kleines Café — nein, nicht richtig — es gab hier nur ein einziges kleines Café.
„Es zieht sich wieder zu“, sagte Monica, „ hoffentlich bleiben wir trocken. Die nächsten Kilometer wanderten wir durch ein kleines Gebirge mit unbefestigten Wegen.“
„Na die scheint ja den Wanderführer sehr genau zu lesen“, dachte ich mir und hoffte auch auf einen gnädigen Weg. Manchmal ist Hoffnung aber einfach nicht genug. Als der Weg etwas steiler bergauf und bergab führte, wurde meine Standhaftigkeit auf die Probe gestellt. Es ging über sehr schmale Pfade, die vom Dauerregen der vergangenen Tage aufgeweicht waren. Die Füße wurden immer schwerer, weil sich der Matsch langsam an den Schuhen ansammelte. Das alleine wäre aber nicht so schlimm gewesen, aber durch den Matsch an und unter den Schuhen und dem Matsch auf dem Weg fand ich keinen Halt mehr. Bergauf zu gehen war nun sehr schwer, aber bergab war echt der Horror. Ich fing an zu rutschen und kam mir vor, als würde ich die Wege herunter surfen. Und die freundlichen fünfzehn Kilogramm auf meinem Rücken taten ihr übriges.
Zweimal legte ich mich fast hin, wobei ich mich aber gerade noch mit der Hand abfangen konnte.
„Mach jetzt bloß keinen Fehler“, spornte ich mich an, denn ein richtiger Sturz hätte das Ende meiner Reise bedeutet. Dann stand ich plötzlich vor einer kleinen Schlucht. Erst ging es abwärts und auf der anderen Seite wieder steil bergauf.
„Ach, du Scheiße“, schoss es mir in den Kopf, „wie soll das denn gehen?“
Ich überlegte eine kurze Weile und versuchte, den bestmöglichen Pfad dort hindurch zu erspähen. Zahlreiche Rutschspuren zeigten mir an, dass das schon einige Pilger versucht haben mussten. Ohne meinen Rucksack wäre ich da leicht runter und wieder rauf gekommen. Aber er musste ja mit. Dann sah ich in der Ferne, wie vier Personen zu mir herüber schauten. Sie waren sehr weit weg, aber ich erkannte Monica, Martin, Bruno und Toni. Es sah so aus, als warteten sie ab, ob ich diese gefährliche Stelle hier meistern würde. Ich setzte zum Abstieg an, fing an zu rutschen, wurde schneller, versuchte zu surfen, legte mich am Rand des Weges im nassen Gras aufs Maul, stand sofort wieder auf, rannte den Rest herunter und nutzte den Schwung für den Aufstieg, bis ich einen Baum umarmte, den ich erst mal nicht mehr losließ.
Es dauerte dann etwa zehn Minuten, bis ich es mit Hilfe mehrerer Bäume und Sträucher endlich geschafft hatte, den Hügel wieder herauf zu kommen. Mein rechter Oberschenkel tat weh — und das durfte er auch. Als ich genauer hinsah war meine Jeans über etwa zwanzig Zentimeter aufgerissen und die Haut leicht angekratzt. Ein Gruß, nehme ich an, von irgendeinem Baum, Strauch oder Stein.
„Ach, was solls“, sagte ich laut, „hätte auch schlimmer ausgehen können.“ Das war richtig. Es hätte zum Beispiel wieder anfangen können zu regnen. Und gerade als ich mich auf einer Anhöhe befand, raste eine dunkle Wolkenwand heran und ergoss sich über mir. Ich fürchtete, dass diese Regenmengen für meinen Rucksack zu viel sein könnten. Ich hatte Angst um meine Kameraausrüstung. Ein kleiner Baum am Weg spendete mir etwas Schutz.
Ich setzte den Rucksack ab und versuchte mein großes Regencape zu finden. Das hatte ich aber, ganz der Wanderprofi, unten im Rucksack verstaut und bei dem Regen, den auch der Baum noch durchließ, konnte ich beim besten Willen den Rucksack nicht ausräumen. Da hätte ich ihn auch gleich in den Regen auskippen können.
Ich war ja schon nass, aber mein Rucksack und dessen Inhalt sollte es nach Möglichkeit nicht werden. Dann entdeckte ich im oberen Fach eine Plastiktüte. Diese Tüte hatte ich vor zwei Tagen von einer alten Dame beim Kauf von Obst bekommen. Zwei Äpfel und zwei Bananen. Und dafür hatte sie mir eine riesige Tüte gegeben. Ich hatte noch gedacht, was das denn soll, so ein Riesen Teil für so ein bisschen Obst. Und genau diese Tüte passte nun über den Rucksack und umhüllte ihn fast zur Hälfte. Ich schüttelte den Kopf — Dinge passieren hier.
Ich stapfte noch einige Kilometer weiter, bis ich in Tiebas ankam. In dem kleinen Ort war die Pilgerherberge nicht zu verfehlen.
„Holla Werner“, begrüßte mich Monica mit einem Lächeln, „hast du es mit deinem schweren Rucksack geschafft? Wir haben dich beobachtet.“
„Ich habe Euch gesehen. War das Zufall?“ wollte ich wissen.
„Nein. Wir hatten befürchtet, dass du das nicht schaffen würdest. Dein
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