1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
Rucksack ist viel zu schwer.“
„Woher wollte sie das denn wissen?“ dachte ich. Aber sofort freute ich mich über die Rücksichtnahme dieser Menschen. Ich fühlte mich richtig geborgen.
Ich hatte meine Wanderschuhe am Eingang verwundert ausgezogen — sie waren gar nicht mehr schmutzig gewesen. Ich organisierte Zeitungspapier und stopfte sie damit aus. Dann reservierte ich mir ein Bett und zog die nassen Klamotten aus. Großartig etwas zum Trocknen aufzuhängen war sinnlos. Es war kein Platz in der kleinen Herberge und draußen regnete es leicht. Ich schaute mir meine zerrissene, klatschnasse Jeans an und fragte mich, womit bekleidet ich denn morgen weiter gehen sollte. In diesem Moment kam Toni an mir vorbei. Er trug ein Bündel trockener Wäsche auf den Armen.
„Holla Werner. Na, gut durchgekommen?“ grinste er mich bestens gelaunt an.
„Jaja“, sagte ich ganz nebenbei und schaute auf die frisch gewaschene Wäsche auf seinen Armen.
„Gibt es hier eine Waschmaschine oder Trockner?“ fragte ich.
„Nein“, lachte er, „hier nicht. Das sind Klamotten, die ein Pilger gestern hier gelassen hat. Sie waren ihm zu viel gewesen in seinem Gepäck. Guck mal, toller Pullover, was?” Er zeigte stolz auf einen orangefarbenen Pulli mit Rollkragen.
„Du, sag mal. Ist da zufällig auch eine Jeans mit dabei?“ Toni kramte in dem Wäschebündel und zog strahlend eine frisch gebügelte Jeans heraus.
„Hier bitte. Zieh mal an.“
Sie passte. Nicht nur eben so. Sie passte, wie nur eine Jeans passen kann. Ich schüttelte wieder mit dem Kopf.
„Das ist der Camino“, lächelte Monica, die die Kleiderprobe mit angesehen hatte. Und seit diesem Tag trug ich eine fremde Jeans von einem Pilger namens Roberto Hernandez. So jedenfalls lautete der eingenähte Namensaufkleber. Muchas Gracias dafür, Roberto.
Martin, Bruno und Monica wollten sich nach einem heißen Kaffee umsehen, und fragten mich, ob ich mitgehen wollte. Klar wollte ich und führte stolz mein neues Beinkleid aus. Ich konnte es nicht fassen, wie glücklich ich über dieses Geschenk war.
In der Mitte des kleinen Ortes fanden wir doch tatsächlich ein öffentliches Schwimmbad. Gut — schwimmen wäre uns eher nicht in den Sinn gekommen, aber es gab hier auch ein kleines Restaurant mit einem sehr guten Kaffee. Apropos — seit ich in Spanien angekommen war, hatte ich bis heute nur sehr guten Kaffee getrunken. Das können die Spanier.
„Für was hast du eine Kamera und das Stativ dabei?“ fragte mich Monica unvermittelt.
„Ich drehe einen Film über meine Pilgerreise. Die Kamera nimmt direkt auf eine DVD auf in einer tollen Qualität. Filme machen gehört zu meinem Hobby“, antwortete ich brav, ohne wirklich zu wissen, weshalb sie gefragt hatte. Sie schaute mich nur ernst an. Wir genossen den Kaffee und einen kleinen Imbiss, während die Umgebungslautstärke stetig zunahm. Immer mehr Mütter kamen mit ihren kleinen Kindern aus dem Hallenbad.
Trotzdem entwickelte sich ein sehr angenehmes Gespräch an unserem Tisch. Martin war Kommunikationstechniker aus Madrid und mit seinem Sohn für eine Woche auf dem Jakobsweg unterwegs. Der anfänglich so ernste, dunkle Mann, so war er mir vorgekommen, entpuppte sich als ein humorvoller und lieber Kerl. Schade nur, dass sein Englisch und mein Spanisch zu schlecht waren. Ich hätte mich gerne intensiver mit ihm unterhalten. Bruno war mit seinen fünfzehn Jahren schon sehr erwachsen. Er flachste zwar oft mit seinem Vater herum und machte Blödsinn, aber ich hatte den Eindruck, er war sehr bewusst hier auf diesem besonderen Weg.
Monica taute so langsam auf. Immer öfter huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Aber auch bei ihr entdeckte ich eine tiefgründige Ernsthaftigkeit — ganz speziell, was den Jakobsweg oder Camino, wie sie ihn nannte, anging.
Es war etwas ruhiger geworden und wir wollten schon langsam aufbrechen, als Heike hineinkam und an unseren Tisch trat.
„Wir haben eingekauft und etwas zu Essen gekocht. Wir möchten euch einladen. Kommt ihr?“ Klar ließen wir uns diese Einladung nicht entgehen. Toni hatte mit seinen Freunden Spagetti und einen großen Salat zubereitet. Die meisten Pilgerherbergen verfügen über eine Küche, die die Pilger benutzen dürfen. Mir hat selten in meinem Leben einfaches Essen so gut geschmeckt. Aber hier haben es auch sicher diese besonderen Menschen ausgemacht.
Während unserer Abwesenheit waren noch weitere Pilger in der Herberge angekommen. Luis war einer davon. Er
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