1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
Ich habe recht gehabt.“ Mit diesen Worten stolzierte sie forsch an uns vorbei. Ich warf noch einen Blick zurück auf den Spanier in seinem Auto und fragte mich, was der hier schlafend mitten in einem Feld in seinem Auto gemacht hatte. Ich bezweifelte, dass er wusste, wo er selbst sich befand, geschweige denn, wo der Jakobsweg sei.
Aber egal, im Moment blieb uns nichts anderes übrig. Das heißt, nicht ganz. Martin, Kommunikationstechniker bei Nokia, hatte ein ganz neues Handy mit einem integrierten Navigationsgerät dabei. Als er es an der Kreuzung herausholen wollte, schrie Monica wild auf und sagte sehr energisch, sie würde augenblicklich die Gruppe auf Nimmerwiedersehen verlassen, wenn wir uns damit den Weg weisen lassen würden. Ihr roter Kopf und ihre energische Körperhaltung ließen keinen Zweifel, dass sie es bitter ernst meinte. Ohne jede Diskussion schloss Martin seinen Rucksack wieder und ich sah sein Navi seitdem nicht mehr in seinen Händen. Wir fanden ganz automatisch wieder auf den Jakobsweg und einen Umweg hatten wir auch nicht gemacht. Monica grinste zufrieden.
Am Wegesrand tauchten Brombeerbüsche auf, die voll behängen waren mit reifen, schwarzen Früchten. Als wollte der Camino seinen Besuchern etwas anbieten, säumten über Kilometer diese Büsche den Weg und unsere Bäuche waren schon voll davon, als wir vorbei an zahlreichen Weinfeldern, und einigen Oliven- und Feigenplantagen an einer kleinen, eigentlich unscheinbaren Kirche ankamen.
„Morgen werden wir an einen mystischen Ort kommen. Eine wichtige Etappe auf dem Camino. Sehr gut zum Meditieren“, hatte mir Monica gestern im Schwimmbad gesagt und ihre Augen hatten dabei geleuchtet. Die kleine achteckige Wallfahrtskirche „Santa Maria de Eunate“ soll im zwölften Jahrhundert von den Tempelrittern erbaut worden sein. Für sicher gilt, dass sie hier in der Region Navarra als eine der Begräbniskirchen am Pilgerweg diente. Ich betrachtete sie erst von außen. Dann ging ich an der Seite von Monica durch den Eingang ins Innere der Kirche.
Und sofort stand eine andere Frau neben mir. Monica war gebannt. Sie ging ganz nach vorn und kniete sich in die erste Bank. Ich hatte den Eindruck, als hätte sie mit dem Betreten der Kirche die Welt um sich herum vergessen. Sie betete und schien nur noch im Hier und Jetzt zu sein. Das beeindruckte mich dermaßen, dass ich mich kaum traute, meinen Rucksack zu öffnen, um meine Kamera heraus zu kramen. Nach und nach füllte sich der kleine Innenraum. Ich blickte mich um und sah fast alle Pilger aus der Herberge von heute Morgen wieder. Auch die Freunde von Toni waren angekommen und grüßten zu mir herüber. Sie saßen mir gegenüber am Rand des Raumes und deuteten auf Monica. Ich hatte den Eindruck, auch sie hatten die Veränderung bei ihr bemerkt.
Nach einer Weile verließ ich das Innere der Kirche, um einige Außenaufnahmen zu machen. Nach und nach richteten sich auch die anderen wieder vor der Kirche zum Weitermarsch. Als letzte kam auch Monica heraus. Wortlos setzte sie ihren Rucksack auf und machte sich auf den Weg.
Die Wolken wurden heller und rissen teilweise ganz auf. Am frühen Nachmittag war fast nur noch blauer Himmel zu sehen. Unsere Gruppe hatte sich nach dem Kirchenbesuch etwas auseinander gezogen. Es war zu spüren, dass jeder etwas Zeit für sich selbst in Anspruch nahm. Sogar Martin und sein Sohn Bruno wanderten getrennt. Wir erreichten den Ort Obanos, wo sich die Pilgerwege des aragonischen, und die des navarresischen Weges zum eigentlichen Hauptweg vereinigen. Eine knappe Stunde später erreichten wir unser Etappenziel Puente la Reina.
Noch bevor wir uns eine Herberge suchten, kehrten wir mit großem Hunger in einem Restaurant ein, um unser heutiges Pilgermahl zu bestellen. Es ist immer recht einfache Kost. Aber bedingt durch die körperlichen Anstrengungen und das Essen in der Gemeinschaft war es jedes Mal ein besonderes Mahl. Es begann immer mit Brot und Wein und endete auch immer mit Brot und Wein.
Wir schritten durch die Altstadt von Puente la Reina auf der Suche nach einer Unterkunft. Der Jakobsweg, die Hauptstraße „Calle Major“ des im elften Jahrhundert gegründeten Ortes, zieht sich schnurgerade bis an den Fluss Arga, den man auf einer sehr schönen Bogenbrücke überquert.
Kurz nach der Brücke fanden wir dann auch eine Herberge. Angepasst an die nun größeren Pilgerströme, war diese neu errichtete Herberge für fast zweihundert Pilger ausgelegt. Es war eine
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