1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
blauen Jakobsmuschel bemalt, alle fünfhundert Meter am Weg standen. Es waren immer zwei nebeneinander und nur ein Pilger passte in der Mitte durch. Als Conni das erste Pärchen dieser Wegweiser außen herum umgehen wollte, sagte ich ihr, dass man immer in der Mitte hindurch gehen sollte. Keine Ahnung, woher ich das hatte, aber wir hielten uns daran.
Unseren Zielort konnten wir dann schon bald sehen, aber er schien nicht näher kommen zu wollen. Als wir ihn dann endlich erreicht hatten, empfing uns eine Dame am Straßenrand. Sie machte eine Umfrage. Wir dachten erst an einen Witz, aber sie konnte sich ausweisen und stellte uns einige Fragen im Auftrag der staatlichen Touristenorganisation, die die Bedingungen für Pilger auf dem Jakobsweg verbessern wollte.
Zu den persönlichen Daten machten wir Phantasieangaben. So waren Conni und ich verheiratet und hatten zu Hause zwei Kinder. Die Angaben zur Beschilderung des Weges, den Herbergen und Kirchen gaben wir dann aber korrekt an. Die Fragen hörten gar nicht mehr auf und langsam fingen meine Füße richtig an weh zu tun. Ich stellte mich von einem Fuß auf den anderen, während „meine Frau“ fleißig Angaben machte.
Die erste Herberge im Ort war schon voll. Die Zweite fanden wir nicht und auch die Dritte öffnete sich uns erst im zweiten Anlauf.
Es war ein Nonnenkloster. Im Vorraum mussten wir uns anmelden und an einem Schreibtisch saßen wir einer ganz in weiß gekleideten Nonne gegenüber.
„Sind Sie verheiratet?“ fragte sie uns. Wir grinsten uns kurz an und verneinten. So dauerte unsere Ehe nur fünfundvierzig Minuten. Die Nonne führte uns über den Innenhof des Klosters, der ein Basketball Spielfeld war, zu einem Nebengebäude.
„Manchmal spielen wir hier gegen die Pilger“, scherzte sie auf Englisch. Wir bekamen in einem großen Schlafraum zwei Betten nebeneinander. Ich nutzte die Waschgelegenheiten und die Restsonne am späten Nachmittag. Conni erwischte mich beim Wäsche aufhängen.
„Ich geh jetzt in den Ort. Vielleicht sehen wir uns beim Abendessen“, sagte sie im Weggehen und drehte sich noch mal zu mir um.
„Schließlich sind wir ja jetzt nicht mehr verheiratet.“
Tag 20
Carrión de los Condes / Sahagún
Diese Nacht hatte ich etwas unruhig geschlafen und wollte einfach nicht aus dem Bett. Ich wollte mich aber auch nicht von den Nonnen rauswerfen lassen und so stellte ich mich für eine Dusche kurz an.
Gestern Abend hatte mich Monica angerufen. Wir führten ein langes Gespräch. Sie wollte unsere Beziehung klären, weil sie mich unbedingt weiterhin auf meinem Weg nach Santiago de Compostela „begleiten“ wollte. Sie hatte gesagt, dass sie so etwas noch nicht erlebt hatte, es aber auch irgendwie positiv sehen würde.
„Vielleicht sollte es nicht sein mit uns beiden“, hatte sie gesagt, „und dass du lieber dem Weg gefolgt bist, zeigt, dass du eine wichtige Mission hast.“
Ich wusste nicht, was sie damit meinte. Ich hatte in der Situation vor einigen Tagen aber wirklich das Gefühl gehabt, der Weg dulde keine Auszeit und riefe mich zurück. Ob es so etwas wirklich gab, wusste ich nicht. Ich wollte es auch nicht wissen, denn heute ging es mir irgendwie anders.
Ich verließ die Herberge, um keine zweihundert Meter weiter in ein Café einzukehren, wo es warme Backspezialitäten gab. Ich frühstückte ausgiebig und schaute mir dabei draußen auf dem Hauptplatz meine Pilgerkollegen an, die sich auf den Weg machten. Heute verspürte ich nicht den Drang zu wandern. Trotzdem machte ich mich auf und schlenderte durch die engen Gassen der Altstadt und kam an eine Brücke. Hinter dieser Brücke folgte zwanzig Kilometer lang nichts — wirklich nichts. Kein Ort, fast nur gerade, ebene Strecke. Ich spürte einen Widerstand und blieb vor der Brücke stehen. Einige Pilger gingen an mir vorbei und grüßten, aber ich blieb stehen.
Kurz entschlossen, und immer noch den feinen Duft des Gebäcks in der Nase, schlenderte ich zurück und setzte mich zu einem zweiten Frühstück wieder ins Café.
Diesmal traf ich dort meine „Ex-Frau“. Ich setzte mich zu Conni an den Tisch und erzählte ihr, dass ich heute eine leichte Wanderblockade hätte. Dann erinnerte ich mich an einen Satz, den mir Monica gestern gesagt hatte.
„Nichts, aber auch wirklich gar nichts auf dem Jakobsweg geschieht ohne Grund. Ob du Menschen triffst, die freundlich sind oder nicht, ob deine Gesundheit angegriffen ist oder nicht. Egal, wer oder was dir begegnet, es
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