1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
Protest, so heißt es, formten die Bauer einen Käselaib in Form einer Frauenbrust und nannten ihn „Tetilla“, übersetzt Brüstchen.
Auf meinem Weg durch herrliche Landschaften, Dörfer und kleine Siedlungen äußerte ich an einer kleinen Kapelle einen Wunsch. Es war wieder Formel - 1 Sonntag und ich wünschte mir rechtzeitig mein Ziel zu erreichen und bis spätestens viertel vor drei, also etwa Mitte des Rennens, vor einem Fernseher zu sitzen. Das war ein frommer Wunsch und auch ein naiver, denn zwischen Arzúa und der nächsten, letzten großen Stadt vor Santiago gab es über eine Strecke von zwanzig Kilometern keine Pilgerherberge — so mein Reiseführer.
In Arzúa angekommen, musste ich zwei Herbergen und drei Hostals ablaufen, bis ich ein kleines Zimmer bekam.
Verschwitzt und müde streifte ich meinen Rucksack ab und zog die Schuhe aus. Ich setzte mich aufs Bett und entdeckte in der oberen Ecke des Zimmers einen kleinen Fernseher. Ich drückte auf den roten Knopf und die Formel-1 Renner drehten vor mir ihre Runden. Es war genau viertel vor drei.
„Spitze“, grinste ich, „Firma dankt!“
Tag 33
Arzúa / Santa Irene / Lavacolla
Gestern Abend hatte es angefangen zu regnen, doch an diesem Morgen war der Himmel zwar wolkenverhangen, aber die blauen Flecken überwogen. Die Straßen waren noch nass. Vor mir humpelte ein junger Italiener mit Badeschlappen langsam voran. Ihn hatte ich die letzten Tage mit seiner Partnerin gesehen, die ihm immer wieder davonlief, um dann wieder auf ihn zu warten. Seine Fußprobleme waren immer größer geworden, aber scheinbar hatte er seine Freundin ziehen lassen und war wild entschlossen, die letzten Kilometer bis Santiago auch noch zu schaffen.
Die Frau mit den Flipflops, so hatte ich gehört, war gescheitert. Sie hatte sich den Fuß verstaucht, weil sie an einer Anhöhe mit ihren Plastiksohlen auf den nassen Steinen ausgerutscht und gestürzt war. Solche Geschichten häuften sich, je näher das Ziel in Sicht war.
Am frühen Morgen war der Andrang auf dem Weg noch nicht so schlimm. Wir befanden uns jetzt in der einhundert Kilometer Zone vor Santiago, im Kurzpilger- und Touristengebiet.
Die Landschaft zeigte sich wieder von ihrer schönen Seite. In den Waldgebieten war die Luft noch sehr feucht gewesen. Das sorgte in Verbindung mit dem Duft der Eukalyptusbäume für eine angenehm anregende Stimmung. Wenn die Temperaturen höher gewesen wären, hätte man von einem Aufenthalt in einer Sauna nach einem Aufguss schwärmen können.
Ich atmete tief ein und erinnerte mich an mein Erlebnis von gestern an der alten Eiche. Das Bild dieses Sternenhimmels, der Lichtstrahlen und das Gefühl, als sie mich erreichten, war so außergewöhnlich, dass ich nicht so recht glauben konnte, ob es wirklich passiert war. Auf der anderen Seite wunderte ich mich aber auch nicht über das Geschehene, da ich hier auf dem Jakobsweg mit solchen Ereignissen schon fast gerechnet hatte. Du hältst hier auch so etwas eher für möglich, als zu Hause in deinem Alltag. Jedenfalls brachten mich die Gerüche wieder in Verbindung mit einem starken Gefühl der Zuversicht und des Vertrauens.
Mitten in einem einsamen Waldstück entdeckte ich auf einer kleinen Steinmauer eine junge Frau, die etwas in ein Buch schrieb. Ich erkannte die italienische Freundin des Fußkranken vom Morgen. Sie lag auf den feuchten Steinen mit ihrem Kopf an den Rucksack gelehnt.
Wie schon einmal erwähnt, hatte ich sie öfter auf dem Weg gesehen. Sie fiel auf unter den anderen Pilgern. Sie war eine hübsche, schlanke blonde Frau, die ihre Kleidung sehr körperbetont ausgewählt hatte. Alles lag eng am Körper an, was mich jetzt nicht direkt störte, aber ich hatte einige Blicke älterer Pilger und Pilgerinnen und auch einiger Anwohner am Weg gesehen, mit einem etwas irritierten Ausdruck.
Da lag diese schöne Frau also mitten in einem Wald drapiert auf einer Mauer am Weg und lächelte mich an. Es hatte etwas unwirkliches, so hübsch und verlockend, wie sie aussah. Ich versuchte nicht länger darüber nachzudenken und erwiderte nur kurz ihren Gruß im Vorbeigehen.
Der Weg führte weiter durch kleine Dörfer und erstaunt entdeckte ich in dem einen oder anderen Garten Palmen, Kakteen und sogar Bananenstauden. Das Klima war hier in Galizien so mild, dass diese Vegetation nun öfter zu sehen war. Allerdings war die Region auch für häufig auftretenden Regen bekannt, aber ich schien, zumindest heute, davon verschont zu
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