1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
schlüssigen, beweisbaren Theorien ableitete und anwendete.
In diesen Meditationen hatte ich aufregende und bemerkenswerte Dinge erlebt, die für mich mit der Zeit „normal“ geworden waren.
Ich schloss meine Augen, drückte meinen Rücken an die Eiche und atmete tief ein. Ich spürte eine tiefe Entspannung, die beim dritten oder vierten Atemzug einsetzte. Dann begannen Bilder an meinem geistigen Auge vorbeizurasen. Blitzschnell und gestochen scharf. Normalerweise richtete ich in meiner Meditation die Gedanken auf ein gewünschtes Thema und dann kamen die passenden Bilder und Gefühle dazu. An dieser Eiche war das nicht der Fall. Ich musste mich nur darauf einlassen und entspannen, der Rest kam von allein. Mein Rücken wurde warm und ich hatte den Eindruck mit dem Baum verbunden zu sein, als plötzlich alles schwarz wurde.
Langsam tauchte vor meinem geistigen Auge ein Licht nach dem anderen auf, bis ich erkannte, dass es Sterne waren. Nach einer Weile schaute ich in ein Universum voller leuchtender Sterne. Ich sah, wie sich Lichtstrahlen aus den einzelnen Sternen in einem großen Stern trafen. Hier heraus bildete sich dann ein besonders heller gebündelter Lichtstrahl, der in die alte Eiche, durch sie hindurch und schließlich in mich hineinfuhr. In diesem Moment wurde alles schneeweiß und warm und angenehm.
Es dauerte eine Weile, dann nahm ich den Geruch des Eukalyptuswaldes und den Gesang von Vögeln wahr. Sonnenstrahlen drangen durch die Blätter der Bäume und tanzten als kleine Lichtpunkte auf dem Waldboden herum. Niemand hätte mir das Grinsen aus dem Gesicht bringen können, denn diese Erfahrung hatte ein Gefühl in mir bestätigt.
Ich hatte oft in meinem Leben das Gefühl gehabt, einen bestimmten Weg zu gehen, von dem ich allerdings keine Ahnung hatte, in welche Richtung er mich führen würde. Immer, wenn sich Situationen ergeben hatten, in denen ich spürte, ich komme von diesem Weg ab, hatte ich die richtige Richtung wieder gefunden. Dadurch hatte ich allerdings auch einige harte Entbehrungen in Kauf nehmen müssen.
Und dieses Ereignis hatte mir glasklar bestätigt, dass ich mich, nicht nur auf dem Jakobsweg, in die richtige Richtung bewegte. Ich hatte etwas Wichtiges zu tun, von dem ich auch in diesem Moment noch nicht genau wusste, was es war. Sicher war nur, dass meine Intuition, meine innere Stimme, oder wie auch immer man das nenne möchte, mich genau dahin führen würde.
Ich saß noch lange mit einem schön schweren und wohligen Gefühl im ganzen Körper an dem Baum, bis ich mir wieder meine Schuhe anzog und den Rucksack anschnallte. Ich hatte noch nie einen Baum umarmt, aber diesmal tat ich es um mich zu bedanken. Schließlich sah mich hier ja niemand — außer der Engel und Feen.
Ich kehrte wieder auf den Weg zurück und lief prompt in eine Gruppe von Pilgern ohne Gepäck, die etwas irritiert schauten. Ich grinste nur. Die Sonne schien nun heller zu leuchten, das Grün der Blätter und der Geruch von Eukalyptus intensiver zu sein. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich ging, sondern mehr, dass es mich ging, so leicht und unbeschwert kam ich voran.
In der Stadt Melide gönnte ich mir ein gutes Mittagsmenü und grinste jeden, der daher kam, an.
Nachdem ich fünf Kilometer weiter geschwebt war, begrüßte mich im Ort Boente ein Pfarrer, der die Pilger einlud, seine kleine Kirche zu besichtigen. Er begrüßte jeden einzelnen mit Handschlag und jetzt fiel mir ein, dass es Sonntag war.
Ich setzte mich einen Moment in die kleine Kirche, auf deren Altar eine Figur des Apostels Santiago stand. Ich trug mich in das Gästebuch ein und erhielt einen Stempel und ein Bildchen vom Apostel. Auf der Rückseite war ein Gebet in deutscher Sprache, das man in der Kathedrale von Santiago beten sollte und diese kam rasch näher. In fünfzig Kilometern, also in zwei Tagen würde auch ich dort ankommen.
Aber zuvor nahm ich Kurs auf mein heutiges Ziel, der Stadt Arzua. Bekannt geworden war sie durch ihre, weit über die Grenzen bekannte, Käseproduktion. Aus Kuhmilch wird hier ein milder Weichkäse gewonnen, der in ein Kilogramm schweren „Tetilla“ verkauft wird.
Um diesen Käselaib gibt es eine nette Geschichte. An der Kathedrale von Santiago de Compostela hatte ein Bildhauer eine weibliche barbusige Figur mit sehr echt wirkenden üppigen Brüsten geschaffen, deren Anblick die Männer in Verzückung brachte.
Das gefiel aber den Kirchenoberen nicht und so ließen sie die Brüste der Dame abflachen. Aus
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