1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
bleiben.
In Santa Irene, keine fünfundzwanzig Kilometer von Santiago entfernt, rastete ich in einem kleinen Bistro, das ich aber wegen chronischer Überfüllung rasch wieder verließ. Kaum war ich wieder auf dem Weg, überholte mich die junge Italienerin. In einem Waldstück holte ich sie hinter einer leichten Anhöhe wieder ein und lief eine Weile hinter ihr her. Natur rechts, Natur links und ganz viel Natur geradeaus. Mein Blick fiel automatisch auf ihren schön geformten Po, der durch die eng anliegende Jogginghose anregend vor mir hin und her wackelte. Eine Weile schaute ich mir das an, bis ich an einem Baumstumpf eine Pause einlegte, damit sie davon ziehen konnte. Es war mir fast peinlich, das ich so auf ihren Po gestarrt hatte und mir dabei gewisse Gedanken in den Kopf gekommen waren.
Schließlich war ich hier auf dem Jakobsweg und morgen früh würde ich den Heiligen Jakobus umarmen. Aber dann dachte ich mir, wie vielen verschiedenen Menschen ich bisher auf meinem Weg begegnet war. Sie alle spiegelten das Leben, wie es ist wieder. Jeder Mensch auf dem Jakobsweg gehört hierher, so wie er oder sie ist. Das macht den Weg ja aus. Wenn alle völlig gleich unterwegs wären, wäre das ziemlich langweilig.
Die nette Ablenkung konnte aber nicht verhindern, dass sich in mir ein merkwürdiges Gefühl von Nervosität breit machte. Wenn man die Kathedrale von Santiago de Compostela als Ziel der Pilgerschaft betrachtete, und das war sie schließlich auch, dann befand ich mich heute auf dem letzten vollen Wandertag auf dem Pilgerweg.
Durch die endlosen Eukalyptuswälder hindurch kam ich in eine Region, in der ich vorgehabt hatte, mir eine Unterkunft zu suchen. Kurz vor dem Ort Lavacolla hatte ich schon ein „Full“ gehört und zog unverrichteter Dinge weiter. Es folgte ein kurzer, steiler Anstieg, auf dessen Mitte sich plötzlich meine linke Achillessehne mit leichten Stichen meldete.
„Hallo“, dachte ich, „doch nicht so kurz vor dem Ziel.“ Ich schlich ganz vorsichtig den Hügel hinauf und merkte, als der Weg wieder eben wurde, dass ich problemlos weiter gehen konnte. Ich war erleichtert und nahm einen Gang zurück. Ich hatte es sowieso nicht eilig. Im nächsten oder übernächsten Ort würde ich rasten und ich hatte noch so viel Zeit.
Der Weg führte in einem großen Bogen um den Flughafen Lavacolla, der eigentlich der Flughafen von Santiago de Compostela war vorbei. Eine startende Maschine erinnerte mich daran, dass ich in ein paar Tagen meine Heimreise antreten würde. Aber ich verbannte den Gedanken schnell wieder aus meinem Kopf, denn ich war nach wie vor auf dem Jakobsweg und da galt nur das Hier und Jetzt.
Vom Weg aus entdeckte ich auf der Suche nach einer Unterkunft ein großes Schild auf einem Dach mit der Aufschrift „Hotel Ruta Jacobea“. Ich bog links ab, näherte mich dem Hotel durch dessen schönen Garten über eine kleine Brücke und checkte ein. Einen Tag vor meiner Ankunft wollte ich mir noch einmal etwas Schönes gönnen. Ich bekam ein großes Zimmer, das in einer Pilgerherberge gut und gerne Platz geboten hätte für sechs Stockbetten, also zwölf Pilger. Im Bad wartete eine große Badewanne auf mich, die ich sofort voll Wasser laufen ließ — ein herrliches Gefühl, in dieses heiße Wasser einzutauchen und zu entspannen.
Den Nachmittag über genoss ich mein schönes Zimmer und ruhte mich aus. Zum Abendessen begab ich mich in das Restaurant des Hotels und war wieder mal zu früh dran. Zwei Gläser Rotwein und ein paar Scheiben Brot später bekam ich ein Essen, dass toll serviert wurde und lecker schmeckte, aber mich nicht so glücklich machte, wie die zahlreichen einfachen Pilgermenüs, die ich gegessen hatte.
Am Nachbartisch des sonst leeren Raumes nahm ein Herr Platz und grüßte zu mir herüber. Seine gute, aber etwas verknitterte Kleidung verriet ihn.
„Sind sie auf dem Jakobsweg?“ fragte ich zu ihm herüber.
„Ja“, antwortete er. Der Mann kam aus Kanada und war genau wie ich in Somport in den Pyrenäen gestartet. Er hatte aber aus Zeitmangel rund dreihundert Kilometer mit dem Zug hinter sich gebracht. Da blieben aber immer noch rund sechshundert Kilometer übrig, also war er ein echter Pilger. Das freute mich und so war unser Gespräch auch entsprechend.
Wir teilten die gleichen Ansichten über den Weg, die Pilger und Touristen und unsere Gedanken so nah am Ziel zu sein.
Wir blieben aber die ganze Zeit an unseren Tischen sitzen. Man merkte uns beiden an, dass wir uns
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