1001 Nacht mit dem Wüstenprinzen
ihr nicht gleich widmen konnte. Über seine Anspielung auf die Flitterwochen wollte sie lieber noch nicht nachdenken.
„Schon gut. Das verstehe ich natürlich.“
Nur schwach hatte er gelächelt und scherzend gefragt: „Bist du jetzt erleichtert, mich fürs Erste nicht zu sehen zu bekommen? Ich werde veranlassen, dass man dich durch den Palast führt und dir alles zeigt. Einer von meinen Adjutanten wird dich in B’harani herumfahren. Donnerstagabend haben wir einen öffentlichen Auftritt, am Wochenende beginnen die Hochzeitsfeierlichkeiten. Sonntag sind wir Mann und Frau, und du bist Königin.“
Samia schob die Erinnerungen an die ersten Stunden in B’harani beiseite. Nach dem Abendessen mit Sadiqs Mutter Yasmeena war sie in ihre Räume zurückgekehrt. Ihre elegante Schwiegermutter hatte sie unter ihre Fittiche genommen und durch den Palast geführt. Von ihr musste Sadiq die unglaublich blauen Augen haben. Sie war freundlich, wenn auch etwas zurückhaltend, und wirkte auf eine anrührende Weise traurig, was Samia an ihren Vater erinnerte.
Die Abendstimmung im Freien lockte Samia auf ihre Privatterrasse zum mit farbigen Mosaiken ausgelegten Pool hinaus, von dort schlenderte sie zur über und über mit Efeu bewachsenen Palastmauer. Während sie die würzige Luft einatmete, wurde ihr bewusst, wie sehr ihr das alles gefehlt hatte: die Hitze, die offenen Weiten und der endlose Sternenhimmel.
Vor ihr funkelte das Lichtermeer der Stadt B’harani wie ein Kronjuwel. Der einstmals kleine Fischerhafen hatte sich zu einer der modernsten Städte des Mittleren Ostens entwickelt. Neben älteren Gebäuden erhoben sich als leuchtende Beispiele von Ehrgeiz und Erfolg Wolkenkratzer mit glitzernden Lichterfassaden kühn in den rötlich blauen Abendhimmel.
Als Kind war Samia oft hier gewesen. Während ihr Vater sich als Gast des Sultans im Palast aufhielt, waren sie und ihre Geschwister draußen untergebracht worden.
Im Sultanat Al-Omar hatte Samia sich von jeher wohlgefühlt. Schon damals hatte es ihre Fantasie beflügelt, weil es so viel weiter entwickelt war als Burquat. Seitdem war es noch schöner und aufregender geworden. Inzwischen wusste sie, dass Sadiq sich für Architektur begeisterte und an den Entwürfen aller Gebäude entscheidend mitgearbeitet hatte. Ihr gefielen die sauberen breiten Boulevards mit ihren Schatten spendenden Bäumen und die zahlreichen kleinen Parks und Grünflächen, wo Erwachsene spazieren gehen und Kinder spielen konnten.
Ihr liebster Tummelplatz waren damals jedoch die Docks im ältesten Teil des Ortes gewesen. Dort herrschte ein buntes Durcheinander von Zeugen der Vergangenheit, alten Märkten und vielfältigen Gerüchen. Schiffe und Boote, die Tag und Nacht in dem großen Hafen ankamen oder ausliefen, ächzten unter den Lasten ihrer Fracht. Als neueste Errungenschaft prangte ein moderner Jachthafen inmitten der fast bescheiden anmutenden alten Hafenanlagen, den Samia sich näher ansehen wollte, sobald sie etwas mehr Zeit hatte.
In weiter Hose, lockerer Bluse und Kopftuch, um ihr auffälliges Haar zu verhüllen, war sie dort bereits einmal herumgeschlendert. Natürlich wusste sie, dass ihr Gesicht nun überall im Land bekannt war, dessen Königin sie werden würde.
Während Samia auf die vor ihr ausgebreitete Stadt blickte, wurde ihr fast ein wenig beklommen zumute; sie kam sich wie ein Jungvogel vor, der zum ersten Mal fliegen sollte. Aber da war noch etwas anderes. Ab jetzt würde sie große Verantwortung tragen müssen. Seit sie sich bereit erklärt hatte, Sadiqs Frau zu werden, sah sie der Rolle, die sie übernehmen sollte, nicht nur ehrfürchtig und ein wenig bang entgegen, sondern auch erwartungsvoll, weil sich ihr hier Möglichkeiten boten, etwas zu bewegen. An so etwas hätte sie noch vor Kurzem nicht einmal im Traum gedacht.
Unwillkürlich tastete sie nach der Mauer, während sie sich auszumalen versuchte, wie es sein würde, mit Sadiq verheiratet zu sein. Sie würde mit ihm im selben Zimmer, im selben Bett schlafen. Bei der Vorstellung wurde ihr heiß. Aber vielleicht erwartete er gar nicht, dass sie zusammen schliefen, sondern dachte an getrennte Schlafzimmer: Er würde zu ihr kommen, seine eheliche Pflicht erfüllen und wieder gehen.
Bei der Überlegung bekam Samia Herzklopfen. Mit solchen Dingen sollte sie sich besser noch nicht beschäftigen. Nach den schmerzlichen Erfahrungen mit ihren Eltern hatte sie sich nie verlieben wollen und müsste froh sein, wenn Sadiq ihre
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