1001 Nacht - und die Liebe erwacht
Juwelen besetzte Schärpe, die er um die Taille trug. Das Emblem auf der Schärpe â der brüllende Löwe mit einem eisig funkelnden blauen Saphir in den Krallen â versinnbildlichte die Warnung an jedermann, der sein Land bedrohte â oder sein Herz, das für sein Land und für sein Volk schlug. Am Tag seiner Krönung hatte er geschworen, nichts und niemand werde ihn von diesem Gelöbnis abbringen oder die Ordnung ins Wanken bringen, die er nach der chaotischen Herrschaft seines Vaters im Land wiederhergestellt hatte. Aber nun hatte ihn die Geschichte in Gestalt seiner längst verstorbenen, verhassten Stiefmutter Helena wieder eingeholt. Er gedachte, diese Angelegenheit umgehend aus der Welt zu schaffen.
Während seiner Abwesenheit hatte man offenbar nicht nur Helenas Zimmer, sondern auch Briefe gefunden, die sie vor ihrem Tod an eine ältere Zofe geschrieben hatte. In den Umschlägen hatten auÃer persönlichen Mitteilungen auch ein Testament und einige Fotografien gesteckt, die Helena mit einem Säugling, einem Mädchen, auf dem Arm zeigten. Darum hatte man ihn so schnell zurückgerufen. Lange konnte so ein Geheimnis nicht bewahrt werden, zumal im Palast ganze Heerscharen von Bediensteten arbeiteten.
Bei dem Baby handelte es sich nicht um ein Kind seines Vaters, sondern um die Tochter des Italieners Ruggiero. Es war somit auch nicht berechtigt, königliches Land in Sinnebar zu erben. Doch bei Helenas Tod vererbte sie ihr eigenes Land zu gleichen Teilen an ihre beiden Kinder. Sein Vater hatte sie damals mit Land ausbezahlt, da Helena die Mutter seines zweiten Sohnes war. Razi herrschte inzwischen über sein eigenes Land und hatte das in Sinnebar geerbte Grundeigentum zurückgegeben â im Gegensatz zu Helenas unbekannter Tochter. Allerdings wusste besagte Tochter vermutlich nicht einmal, dass sie dieses Land besaÃ. Trotzdem erboste es Raâid über alle MaÃen, dass eine lange verstorbene Frau, die seiner Familie zu Lebzeiten nur Kummer bereitet hatte, nun sogar noch aus dem Grab sein Land bedrohte.
Weitaus weniger überraschte es ihn, dass sein Vater ihm ein weiteres Problem hinterlassen hatte. Für seinen alten Herrn hatte die Pflicht nie an oberster Stelle gestanden. Nach einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel, ob auch alles an seinem Platz war, eilte Raâid hinaus.
Er wollte dieses Problem entschlossen angehen. Umso schneller wäre es hoffentlich gelöst. Raâid hasste alles, was mit Helena in Verbindung stand. Sollte doch Helenas Erbin das Zimmer ausräumen. Was hatte er eigentlich damit zu schaffen? Doch leider kannte bisher niemand die Identität des auf dem Foto abgebildeten Babys. Also musste er sämtliche Dokumente durchgehen und sehen, ob er irgendwo einen Hinweis entdeckte. Vielleicht war diese Ablenkung gar nicht so schlecht. Wenigstens würde er dann nicht die ganze Zeit an ein tanzendes Mädchen denken, das den Mond anbetete.
Niemals würde er das Mädchen vergessen, das sich zu ihm auf die Jacht geflüchtet hatte. Im Vorübergehen bewunderte er die Eleganz eines Innenhofs. Die Springbrunnen und der Gesang der Vögel darin würden ihm vielleicht auch Ablenkung bieten und mit der Zeit die Erinnerung an ihre liebliche Stimme überdecken. Wenn er Glück hatte, würde er das Mädchen eines Tages sogar ganz vergessen. Doch jetzt war es dazu noch zu früh. Als er die Augen schloss, sah er sie vor sich, als er tief einatmete, meinte er ihren Duft aufzusaugen. Bald würden die schweren Düfte des Orients die Erinnerung an ihre frische Natürlichkeit überdecken. Hoffentlich! Energisch schlug er die Augen wieder auf und riss sich von dem Anblick des romantischen Refugiums los. Er fragte sich, warum er hier überhaupt innegehalten hatte.
Seine königliche Robe raschelte, als er den Weg fortsetzte. Dieses Geräusch erinnerte ihn an seine Pflichten. In seinem Büro würde er den Brief lesen und sich erneut mit den Urkunden zur Landübertragung beschäftigen. Auf gar keinen Fall würde er zulassen, dass jemand Land übertragen bekam, der sich überhaupt nicht um Sinnebar scherte. Sobald er eine passende Möglichkeit gefunden hatte, würde er jegliche Ansprüche, die ein Nachfahre der verhassten Helena stellte, abweisen. Damit wäre dieses leidige Kapitel hoffentlich für alle Zeiten beendet.
Auf Anraten der Ãrzte, die eine leichte
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