1001 Nacht - und die Liebe erwacht
eines immens reichen Vaters würde schnurstracks zur Frisierkommode ihrer Mutter marschieren, auf der unbezahlbare Juwelen in einem achtlosen Durcheinander lagen. Der Wert dieser Preziosen sollte demnächst von seinen Gutachtern geschätzt werden. Die meisten Leute hätten sich darauf gestürzt. Nicht so Antonia. Zunächst stand sie einfach nur da, als würde sie von heftigen Gefühlen überwältigt. So heftig, dass es sie groÃe Anstrengung kostete, sich nichts anmerken zu lassen. Ein pulsierender Muskel in ihrer Wange verriet die Anspannung.
Die Minuten vergingen. Dann durchquerte Antonia das Zimmer und zog die Rollläden vor der Fensterwand hoch. âKönntest du mir bitte helfen?â, rief sie, als ein Rollladen klemmte. âNicht nötig, ich habe es schon allein geschafft.â Sie öffnete alle Fenster, um Licht und Luft in den stickigen Raum zu lassen. Warme, würzige Luft drang herein. âDas ist schon viel besserâ, sagte sie zufrieden.
Einen Moment blieb sie nachdenklich stehen, dann machte sie sich daran, alles genau zu untersuchen. Dabei ging sie sehr methodisch vor. Sie begann vor dem groÃen Doppelbett, das mitten im Zimmer auf einem Podest stand. Von dort ging sie an der Frisierkommode mit den funkelnden Juwelen vorbei und durchquerte erneut den Raum. Ein mit Rubinen besetztes, achtlos über einen Kleiderständer geworfenes Abendkleid ignorierte sie. Sie kehrte zum Bett zurück, betrachtete es einen Moment lang mit starrem Blick, dann war es plötzlich vorbei mit ihrer Selbstbeherrschung. Langsam, wie in Zeitlupe, sank sie vor dem Bett zu Boden.
Ihn brachte wirklich nichts so leicht aus der Fassung. Seit seiner Inthronisierung hatte er schon viele schwierige Entscheidungen treffen müssen, und er hatte vieles erlebt, was ihn aus dem Gleichgewicht hätte werfen müssen. Doch er war stets besonnen geblieben. Als er jetzt jedoch sah, wie herzzerreiÃend Antonia am Bett ihrer Mutter weinte, musste er sich abwenden und umgehend das Zimmer verlassen.
Ich will ihr nur zeigen, dass ich ihre Trauer respektiere, redete Raâid sich ein, als er sich von auÃen an die Tür lehnte. Er atmete tief ein, um seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bringen. Trotz aller Härte, mit der er Antonia behandelte, konnte er nicht ungerührt dabeistehen und zusehen, wie sie zusammenbrach. Ihre Starrköpfigkeit war viel leichter zu ertragen. Insgeheim hatte er gehofft, sie würde in wahre Begeisterungsrufe ausbrechen, wenn sie all die hübschen Sachen im Zimmer ihrer Mutter erblickte. Stattdessen hatte sie sofort den Kern des Problems erfasst.
Der Kern des Problems bestand darin, dass Helena sich in diesem Zimmer sehr einsam und verlassen gefühlt haben musste, bevor Antonio Ruggiero sie gerettet hatte. Das war immer noch sehr deutlich spürbar, und dank Antonia hatte auch er das inzwischen erkannt.
Die glückliche Zeit, die er mit Antonia auf der einsamen Insel verbracht hatte, lieà sich nicht wiederholen. Es waren gestohlene Stunden gewesen, Stunden, die er noch immer bereute. Sein ganzes Leben war dem Wohl seines Landes und seines Volkes gewidmet. Dazu hatte er sich verpflichtet. Und das durfte er keinesfalls aufs Spiel setzen. Antonia war nicht einfach ein Mädchen, das er attraktiv fand. Durch ihren Landbesitz in Sinnebar stellte sie eine Gefahr für das Wohlergehen seines Volkes dar. Er würde nicht zulassen, dass sein Land wieder im Chaos versank. Er wollte die Vergangenheit endgültig begraben, koste es, was es wolle.
Er richtete sich kerzengerade auf, öffnete leise die Tür und kehrte in das Zimmer zurück. Dort erlebte er eine Ãberraschung. Antonia schien sich wieder gefangen zu haben. Sie saà vor der Frisierkommode und las Briefe.
âWarum hast du mir nichts von diesen Briefen erzählt, Raâid?â, fragte sie wesentlich ruhiger, als er erwartet hatte.
Hatte er wirklich mit einem hysterischen Anfall gerechnet? Mit einer gebrochenen, gramgebeugten Frau? Hatte er die Amazone vergessen, die ihn auf seiner Jacht mit einem Messer bedroht hatte? Dies war kein Mädchen, das man einfach beiseiteschob, sondern eine starke und entschlossene Frau, die wusste, was sie wollte. Selbst wenn man ihr das aufgrund ihrer Jugend auf den ersten Blick nicht zutraute.
âIch wusste nicht, dass meine Mutter eine Zofe hatte, der sie sich anvertraut hatâ, sagte Antonia und wedelte mit dem
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