1001 Versuchung
die Ellbogen zurück und konzentrierte sich auf das, was sie sah – die satten Farben und filigranen Blumenmuster der Teppiche in Seide und Wolle. Fließende Linien in Azurblau, Beige und Indigo auf tiefem Rot. Blüten und Blätter und Arabesken in Gold.
„Rosalie.“
Selbst seine Stimme, tief und samten, besaß die Macht zu verführen!
„Tut mir leid.“ Endlich fand sie ihre Stimme wieder. „Mir war nur plötzlich schwindlig“, log sie. Wie sonst sollte sie er klären, wie verletzlich sie sich gefühlt hatte? Sie verstand es ja selbst nicht. Sie wusste nur, dass sie gerade etwas … etwas Wunderbares erlebt hatte. Es war nicht nur Ariks meisterhafter Kuss oder das Vergnügen, das sie empfunden hatte, sondern vor allem die aufkeimende Hoffnung, doch noch einem anderen Menschen vertrauen zu können.
Sie hatte gedacht, es würde ihr nie mehr widerfahren. Und weil es eben wider alle Erwartungen passiert war, hatte es sie überwältigt.
Unauffällig wischte sie sich die Tränen von den Wangen und hoffte, Arik würde es nicht bemerken. Allerdings bezweifelte sie, dass ihm irgendetwas entging. Also würde sie sich besser für seine Fragen wappnen.
„Hier.“ Er hielt ihr ein Glas mit Goldrand hin. „Trink das.“
Es war ein exotischer Fruchtsaft, kalt, bittersüß und erfrischend. Die simple Tätigkeit von Trinken und Schlucken half ihr, sich zu sammeln. Langsam leerte sie das Glas.
„Danke.“ Sie wagte einen Blick in sein Gesicht, nur um ihn sofort wieder abzuwenden. Er musterte sie eindringlich, als er das Glas aus ihrer Hand nahm.
„Bist du krank? Möchtest du einen Arzt aufsuchen?“
Goldene Strähnen umrahmten ein Gesicht, das nur langsam wieder Farbe gewann. „Nein, nicht nötig.“ Sie zwang sich zu einem kleinen Lächeln, das an sein Herz rührte. „Ich fühle mich nur ein wenig …“
„Schwindlig“, ergänzte er knapp. Es frustrierte ihn, dass sie ihm nicht die Wahrheit sagte. Was immer der Grund war, sie würde sich ihm nicht anvertrauen. Denn eines stand fest: Rosalie Winters war keiner Ohnmacht nahegekommen, und schon gar nicht wegen dieses wahrhaft mitreißenden Kusses. Er war noch immer mitgenommen von dem Kuss, schwelgte in dem Gefühl, wie ihr Mund sich wie eine Rosenknospe unter seinen Lippen geöffnet hatte, aber er hatte auch ihr Gesicht gesehen. Die Tränen in ihren Augen waren ihm nicht entgangen. Tränen und noch etwas anderes, das er nicht bestimmen konnte. Überraschung? Nein, es war stärker als das gewesen. Erstaunen? Oder gar Panik?
Ganz bestimmt nicht. Noch nie war eine Frau in Panik ausgebrochen, weil er sie geküsst hatte. Außerdem hatte Rosalie den Kuss nach dem anfänglichen Zögern erwidert. Mit Hingabe und Inbrunst, so inbrünstig, dass seine Selbstbeherrschung bis an die Grenzen geführt worden war. Eine solche Reaktion hätte sie nicht vortäuschen können. Keine Frau vor ihr hatte ihn je so weit gebracht, war so verlockend gewesen.
Rosalie Winters zu küssen war anders als alles, was er je zuvor erfahren hatte. Der Kuss hatte einen bohrenden Hunger in ihm zurückgelassen. Den Hunger nach ihrem Körper, sicher. Aber noch mehr. Er wollte sie lachen hören, wollte, dass sie ihm ihr Vertrauen schenkte.
Ratlos starrte er auf ihr Profil und fragte sich, warum ausgerechnet diese Frau eine solche Wirkung auf ihn hatte. Doch diese Frage würde warten müssen. Irgendetwas stimmte hier nicht.
„Soll ich dich in dein Hotel zurückbringen?“
Die Worte kamen wie von allein, das hatte er gar nicht sagen wollen. Vielmehr hätte er den Kuss wiederholen wollen. Und vielleicht noch einen Schritt weitergehen, sie in seinen Armen halten und ihren Körper erkunden. Sie zurückzubringen würde dieses Vorhaben von vornherein vereiteln. Trotzdem war es ihm wichtig, dass sie sich von dem erholte, was immer sie so aufgeregt hatte.
Hauptsache, es lag nicht an ihm. Was sollte er tun, falls er diese Tränen verursacht hatte?
„Danke, aber mir geht es gut. Nur eine vorübergehende kleine Schwäche.“ Der Blick aus den umschatteten grünen Augen, die jetzt fast gewittergrau wirkten, schnitt tief in sein Herz. „Viel lieber würde ich noch eine Rundfahrt machen.“ Sie hielt inne und holte zitternd Luft. „Wenn das Angebot noch gilt.“
Er hätte gern mehr über den Grund für ihre Tränen erfahren, aber würde er sie jetzt drängen, würde sie mit Sicherheit gehen. Und er wollte den Nachmittag mit ihr verbringen. „Natürlich gilt das Angebot noch. Unter einer
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