1001 Versuchung
Stimme drang in ihr Bewusstsein, durchbrach die Mauer. Sein aufmunternder Blick wärmte sie. Ihr Herz schlug wieder langsamer, und Leben kam in sie zurück. „Ja … ja, mir geht es gut.“
„Seit dem Morgengrauen rennst du hinter Amy her“, ließ sich da ihre Mutter vernehmen. „Du brauchst eine Pause.“ Sie streckte die Arme aus. „Komm, Amy, komm zu Grandma.“
Nur zögernd ließ Rosalie ihre Tochter los. Ohne Amy auf dem Arm fühlte sie sich schutzlos Ariks Aufmerksamkeit ausgesetzt.
Dabei hätte sie sich gar keine Sorgen zu machen brauchen. Innerhalb von Sekunden waren alle um sie herum in angeregtes Gespräch vertieft. Arik und ihr Schwager diskutierten die Güte ihrer jeweiligen Gestüte, Belle und ihre Mutter beugten sich über das Geburtstagskind. Der kleine Adham war in seiner goldverzierten Wiege eingeschlafen. Belle überlegte, ob sie den Kleinen wohl bald zum Füttern herausnehmen sollte, während Amy hilfreich vorschlug, ihn mit Eis und Pfirsichen zu füttern, weil sie das nämlich auch am liebsten mochte.
Rosalie hörte nur zu und wünschte sich nichts anderes, als mit ihren Gedanken allein zu sein.
Sie überstand noch eine Stunde mit Vorgestelltwerden und Geplauder, lauschte den Reden zu Ehren des kleinen Adham und sah Amy zu, die mit ein paar neu gefundenen Freunden spielte. Irgendwann schließlich fiel ihr auf, dass die ersten Gäste sich verabschiedeten. Sie konnte also auch gehen, ohne die feierliche Atmosphäre zu stören.
Sie sagte ihrer Mutter Bescheid, dann nahm sie Amy bei der Hand und führte sie durch die langen Korridore des altehrwürdigen Palastes hin zu ihrer Suite. Durch den aufregenden Tag war Amy so müde, dass das Zubettbringen wesentlich weniger Zeit in Anspruch nahm als üblich.
Schon bald schlief die Kleine tief und fest, und Rosalie sah hinaus in die Dämmerung. Sie fühlte sich einsamer als je zuvor, während sie da so stand und auf die regelmäßigen Atemzüge ihrer Tochter lauschte.
Er hatte ihr das angetan. Arik.
Er ließ sie sich Dinge wünschen, die sie nicht haben konnte. Nicht von ihm.
Die Klaustrophobie setzte wieder ein. Sie brauchte dringend frische Luft …
Fünf Minuten später stand Rosalie auf einem der Balkons des Palasts und sah auf das Meer hinaus. Am Horizont hinterließ die untergehende Sonne einen letzten goldenen Streifen, während der Himmel sich langsam dunkel färbte. Rosalie atmete erleichtert durch. Diesen Platz hatte sie bei ihrem ersten Besuch im Palast entdeckt. Der Ausblick und die Ruhe hier halfen ihr dabei, nachzudenken.
Was würde sie tun, wenn Arik beschloss, länger zu bleiben und Zeit mit seinem Cousin zu verbringen? Sie selbst sollte noch ein paar Wochen in Q’aroum verbringen, ihre Familie würde misstrauisch werden und sich Sorgen machen, würde sie früher abreisen. Doch sie wusste, sie würde es nicht schaffen, nur freundlich-höflich mit Arik umzugehen, wenn sie sich mit Leib und Seele so viel mehr von ihm wünschte.
Aber welche Alternative blieb ihr?
Sie umklammerte das steinerne Geländer und lehnte sich ein wenig vor, als das Knarren der schweren alten Tür sie erstarren ließ.
„Hallo, Rosalie“, sagte da die tiefe Stimme, die sie in ihren Träumen verfolgte. „Ich dachte mir, dass ich dich hier finde.“
9. KAPITEL
Rosalie drehte sich schnell zu Arik herum. Verzweifelt stellte er fest, dass sie schöner war denn je. Die Tunika zeigte Knitterfalten an der einen Seite, dort, wo Amy auf der Hüfte ihrer Mutter gesessen hatte. Auf der gleichen Seite war auch ihr Haar ein wenig wirr, Amy hatte wohl mit den goldenen Strähnen gespielt. Rosalies Augen waren riesengroß, die Lippen leicht geöffnet.
So gefiel sie ihm – leicht zerzaust. Als sei sie gerade seinem Bett entstiegen.
Bei dem Gedanken verspürte er sofort ein Ziehen in den Lenden. Die unwillkürliche Reaktion seines Körpers steigerte nur seinen Ärger. Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte fragend zu ihr hin, wartete auf eine Erklärung.
„Ich hatte nicht erwartet, dich hier zu sehen.“ Rosalie klang atemlos, wie eine Frau, die etwas zu verbergen hatte.
„Nicht? Hattest du gedacht, ich bleibe zu Hause und gebe mich mit diesem läppischen Zettel zufrieden, den du mir dagelassen hast?“ Sie hatte es nicht einmal für nötig gehalten, es ihm persönlich zu sagen.
„Ich meine, ich wusste nicht, dass du zu dem Empfang kommen würdest.“
„Wärest du ehrlich zu mir gewesen, Rosalie, hätte ich es dir gesagt. Ich ahnte ja nicht,
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