1002 - Höllenqualen
schaute wieder nach unten.
Der Abbé war ein Mensch, der sich eigentlich recht gut in der Gewalt hatte. Diesmal allerdings konnte er denleisen Schrei nicht unterdrücken, als er sah, was da passiert war.
Auf dem Siegel hatte sich etwas getan. Nicht bei den Halbmond umgebenden Streben. Das Kreuz war jetzt der Mittelpunkt, und auf der dunkleren Oberfläche war das Flimmern im Zentrum des Kreuzes genau zu erkennen…
***
Das Rad der Zeit drehte sich. Und die Person, die sich in und an ihm befand, drehte sich zwangsläufig mit.
Ich wußte nicht, ob es nach der ersten Umdrehung oder nach der zweiten geschehen war, aber die Welt um mich herum hatte sich kurzerhand aufgelöst. Sie war verschwunden. Das Rad drehte sich weiter der Vergangenheit entgegen, doch ich bekam nichts mit und spürte kaum noch einen Widerstand im Rücken.
Das Phänomen der Zeit hielt mich umklammert. Ich machte mir auch nicht erst die Mühe, darüber nachzudenken. Ich nahm es hin, es blieb mir zudem nichts anderes übrig.
Diese Reise war nicht mit der letzten auf dem Sessel zu vergleichen. Auch mich überkam nicht der Eindruck der Selbstauflösung, denn ich war noch fühlbar vorhanden. Nur das Drehen merkte ich nicht mehr. Möglicherweise hatte ich mich auch daran gewöhnt, so daß es nicht mehr weiter ins Gewicht fiel.
Die Augen hielt ich weit offen. Schließlich wollte ich mitbekommen, was um mich herum geschah, und ich mußte auch unbedingt die Bilder sehen, die mir einen Eindruck aus der Vergangenheit vermittelten.
Ich rechnete damit, daß dabei alles passieren konnte. Nicht nur Szenen, die mich nichts angingen, würden erscheinen, sondern auch Episoden, indenen ich mich selbst sah, weil ich dort so etwas wie eine Hauptrolle spielte.
Noch war alles verschwommen.
Nicht grau in grau wie an einem nebligen Tag. Es gab schon Farben zu sehen, sie allerdings waren sehr schwach ausgebildet. Zumindest verwaschen. Sie erschienen und verschwanden wieder ziemlich schnell, noch bevor sie sich zu einem Bild oder einer Szene hätten zusammensetzen können.
Aibon gab es nicht mehr.
Auch keine Geräusche.
Mich umfing eine ungewöhnliche Stille, als wäre ich in irgendeinem Zeitloch verschwunden. Mir selbst gefiel sie nicht, und ich wollte mich auch ablenken. Dazu brauchte ich meinen eigenen Willen und auch die Konzentration.
Beides war mir durch die Drehung nicht genommen worden, und so konnte ich mich auf mich selbst konzentrieren.
Ich spürte meine Füße.
Ich spürte auch meine Hände.
Sie und die Füße hatten ihre Stellungen nicht verändert und waren auch nicht verrutscht. Ich hatte den entsprechenden Halt bekommen. Dieses Wissen gab mir auch eine bestimmte Sicherheit.
Aber die Umgebung veränderte sich.
Wieder verschwanden die Schleier. Allerdings nur, um einer Dunkelheit Platz zu schaffen.
Dunkle Nacht!
Ich sah es. Wie auf einer Leinwand malte sich das Bild in meinem Sichtbereich ab. Plötzlich war ich fasziniert, denn zum erstenmal schien sich das Rad der Zeit nicht mehr zu drehen. Zumindest bekam ich die Chance, das sehen zu können, was sich düster, aber doch real vor mir abzeichnete.
Bäume wuchsen über eine Mauer hinweg. Wind bewegte die kahlen Zweige des nahen Gestrüpps, das sich ebenfalls an die Mauern herangepreßt hatte.
Aber es passierte noch mehr, denn das Bild wanderte. Vielleicht drehte ich mich auch wieder, denn es erschien eine neue Sequenz.
Diesmal heller, ich sah Licht.
Kein natürliches. Kein Sonnenlicht. Das Licht einer einsamen Lampe, das allerdings wieder verschwand und die Szenerie vor mir erneut in die Dunkelheit tauchte.
Nein, nicht ganz.
Die Mauer gab es noch. Die Bäume darüber ebenfalls. Aber auch einen Klumpen, der gegen die Mauer geprallt war. Ich konnte ihn nicht genau erkennen, weil es vielleicht zu finster war, doch diesmal wanderte das Bild nicht weiter. Das Schicksal schien sich auf diese Szene eingependelt zu haben, denn in ihr bewegte sich ein Mensch.
Ein Mann.
Mein Vater!
Mein Herz geriet aus dem Takt, denn der Schreck war mir tief in den Körper gefahren. So gut wie möglich konzentrierte ich mich auf das Gesicht meines Vaters. Anhand seines Aussehens würde ich vielleicht herausfinden können, wie weit mich das Rad der Zeit zurück in die Vergangenheit gebracht hatte. Es konnte nicht weit gewesen sein, denn mein Vater sah so aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte.
Er ging von diesem dunklen Klumpen weg, den ich mittlerweile als den Range Rover meiner Eltern identifiziert hatte. Er
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