1002 - Höllenqualen
kleines Machtgefüge hineingeraten sein, und es wollte ihm auch nicht in den Kopf, daß ich dem König Salomo einen Besuch abstatten wollte.
»Ich muß zum König«, wiederholte ich.
Der Gnom schüttelte den Kopf.
Als meine Hand vorzuckte und er damit rechnete, daß ich ihn packte, fing er an zu bibbern. »Es geht nicht. Der König ist…«
»Er ist doch hier – oder?« fragte ich drohend.
»Ja.«
»Dann gehen wir gemeinsam zu ihm. Sollte er jemals erfahren, daß du dich geweigert hast, wird er dich einen Kopf kürzer machen, du kleiner Buntspecht.«
Der Hohepriester wand sich wie ein Wurm. »Salomo ist nicht hier«, keuchte er und duckte sich. »Er hat den Tempel verlassen, aber er wird zurückkehren.«
»Wann?«
»Heute noch.«
»Stimmt das auch?« Ich beugte mich drohend über ihn.
»Ja, ja!« versicherte er. »Ja, er ist weg…«
»Wann erwartest du ihn zurück?« Ich ärgerte mich, denn damit hatte ich nicht gerechnet. Ich sah meine Felle davonschwimmen.
»Noch heute.« Der Gnom schwitzte. Er stöhnte, als er Luft holte.
»Er wird noch heute zurückkehren. Es sind viele Menschen auf dem Platz vor dem Tempel. Sie alle werden ihn sehen und ihm huldigen wollen. Er wird dann in den Tempel getragen werden…«
»Wohin?«
»Er will beten.«
»An eurem Allerheiligsten?«
Der Hohepriester erschrak. »Ja, denn es ist heute ein sehr wichtiger Tag für ihn.«
»Warum?«
Der Hohepriester hatte seine Sicherheit teilweise wiedererlangt.
»Man wird es heute aus dem Tempel tragen. Es beginnt die Prozession, und ich weiß, daß Salomo direkt hinter der Lade hergehen wird. Es ist heute ein heiliger Tag.«
»Das Timkat-Fest?« fragte ich.
Er schaute mich an wie jemand, der nichts verstanden hatte. Den Begriff kannte er wohl nicht.
Mir aber war klar, daß ich zu einersehr wichtigen und wohl auch entscheidenden Zeit im alten Jerusalem eingetroffen war. Ich wußte auch, daß Salomo die Lade aus dem Tempel hatte entfernen lassen.
War heute der entscheidende Tag dieser Reise?
Ich wollte den Gnom vor mir fragen, aber es kam mir etwas dazwischen.
Trompeten- oder Posaunenstöße!
So laut, daß ihre Echo selbst durch die dicken Mauern des Tempels hallte und wir es deutlich hören konnten. Der Hohepriester vor mir erschrak zutiefst. Er wurde plötzlich hektisch und fummelte an seiner Kleidung herum. »Ich muß ihn empfangen«, sagte er noch und kroch von seinem Polsterthron herab.
Bevor er noch weglaufen konnte, zerrte ich ihn zurück. »Bleib immer bei mir«, sagte ich. »Wenn ihn jemand empfängt, dann bin ich dabei, verstehst du?«
Die lockere Sprache war er nicht gewohnt, aber mein Griff war deutlich genug. Ich hatte eine Hand um seinen dünnen Arm gekrallt, der sich anfühlte wie einen Speiche, und ich drückte auch nicht eben sanft zu.
Die Trompetenklänge blieben. Sie waren sogar noch lauter geworden, denn der König mit seinem Gefolge näherte sich dem Tempel.
Ich schob den Hohepriester auf den Eingang zu, der für mich jetzt einen Ausgang bildete. Von den draußen stehenden Aufpassern fürchtete ich mich mit dieser Geisel nicht.
Dann öffnete ich die Tür.
Vor unseren Blicken lag die Halle. Wir standen noch günstig, denn keine Säule nahm uns den Blick. Es hatte sich einiges verändert. Die Bürger der Stadt sah ich nicht mehr. Sie hatten sich aus dem Tempel zurückziehen müssen. Dafür waren die Soldaten geblieben. Sie bildeten ein Spalier – eine Gasse, durch die der König mit seinem Gefolge ziehen konnte.
Auf dem Platz vor dem Tempel war das gleiche geschehen. Das große Tor stand weit offen; ich schaute in die Schneise hinein, durch die der König kommen würde.
Noch einmal brüllten die Trompeten los und schickten ihre schmetternde Musik in die Halle hinein. Dann traten die Musiker, die dem Zug vorangingen, nach links und rechts zur Seite, damit der König freie Bahn hatte.
Ich sah ihn bereits, aber ich konnte ihn nicht so gut erkennen. Jedenfalls saß er auf einem Podest, das von mehreren Soldaten oder Sklaven getragen wurde. Als Sitzplatz diente ein Thron. Die Gestalt darauf wirkte klein, obwohl das auch wegen der Entfernung täuschen konnte.
Der König ließ sich Zeit. Immer wieder hielten die Träger an, damit sich Salomo seinen Untertanen zeigen konnte. Er schüttelte Hände, die sich ihm entgegenreckten, er genoß die Hochrufe, und ich bekam mit, daß er beliebt war.
Stark und weise. Den Wissenschaften und selbst der Magie aufgeschlossen. Als ich daran dachte, kam mir wieder zu
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