1002 - Höllenqualen
durch die Vorstellung, welche Reise mir noch bevorstand. Sie brauchte zudem nicht glücklich für mich zu enden.
Der Rote Ryan war noch näher an das Rad herangetreten, um es oben an einer Seite anfassen zu können. Er umfaßte es mit beiden Händen, denn nur so konnte er den nötigen Schwung für die ersten Umdrehungen geben.
Ich wußte, daß ich nur die ersten Umdrehungen richtig mitbekam.
Danach überkam mich dann der Eindruck, nicht mehr mit dem Rad verbunden zu sein, sondern losgelöst durch die Zeiten zu schweben.
»Jetzt«, sagte Ryan.
Er setzte seine ganze Kraft ein. Ich bekam zuerst den Ruck mit, dann hörte ich hinter mir das Kratzen, als hätte jemand mit einem Messer über das Material geschabt.
Mein Blickwinkel veränderte sich. Der Boden, den ich kurz zuvor noch normal gesehen hatte, hob sich plötzlich an, weil ich schon schräg lag und dabei den Himmel sehen konnte.
Ich drehte mich.
»Viel Glück, John Sinclair«, hörteich noch die Stimme meines Aibonfreundes, die dann verwehte.
Meine Reise ins Ungewisse setzte sich fort…
***
Der Abbé hatte Alet-les-Bains verlassen und wanderte auf die Kathedrale der Angst zu.
Sie hatte den Namen bekommen, weil jeder Mensch ein unheimliches Gefühl erhielt, der sich in den schmalen Spalt zwischen den beiden mächtigen Felswänden hineinzwängte. Der Felsen gehörte zu einem gewaltigen Massiv, das nie hell oder freundlich aussah, da konnte die Sonne noch so strahlen. Es war ein düsterer, auch ein schrecklicher Ort, an dem die meisten Menschen lieber vorbeigingen.
Der große Felsblock bestand aus dunklem Gestein. Eine erkaltete Lavamasse hatte hier ihre Spuren hinterlassen, und wer sich den Säulen näherte, die den Eingang flankierten, der konnte die dort eingravierte Warnung einfach nicht übersehen.
TERRIBILIS EST LOCUS ESTE – Dieser Ort ist gefährlich. Die Warnung war nicht zum Spaß eingraviert worden. Es war auch ein höllischer und gefährlicher Ort gewesen, aber die Templer selbst hatten ihn verändert und beinahe zu einem heiligen Ort gemacht, denn hier lag das silberne Skelett des Hector de Valois begraben.
Jetzt war die Warnung verschwunden. Menschen konnten die Schlucht betreten, aber sie hüteten sich davor, und so war es nur den Templern vergönnt, sich hin und wieder dort aufzuhalten.
Der Abbé fand den Weg ebenso mühselig wie andere Menschen.
Er vielleicht noch schlimmer, denn er gehörte nicht mehr zu den Jüngsten. Er mußte bergauf gehen. Auch wenn es nicht sehr steil war, hatte er doch zukämpfen, denn die Gleichmäßigkeit des Anstiegs zehrte schon an seiner Kondition.
Aber er machte weiter.
Er ließ Alet-les-Bains hinter sich. Wenn er sich jetzt umgedreht hätte, dann hätte er von den Häusern so gut wie nichts mehr sehen können. Vielleicht ein paar Dächer oder die neuen Ferienhäuser am Südhang hoch über dem Ort.
Er hielt den Kopf gesenkt, den Oberkörper nach vorn gebeugt und wirkte wie ein Mensch, der gegen Widerstände angehen mußte. Der Wind hatte die Kälte des Nordens aufsaugen können und war auch über die schroffe Kante des Felsens geweht, um in das Gesicht des einsamen Wanderers zu blasen. Er war kalt. Winterlich. Kein Gedanke an den Frühling konnte da aufkommen. Der Boden war mit einem dunklen, sehr rauhen und manchmal porösen Gestein bedeckt. Nie glatt, so daß der Abbé stets darauf achten mußte, wohin er seine Füße setzte.
Er ließ sich nicht stören. Und es freute ihn auch, daß er es noch schaffte. Er hatte andere Zeiten erlebt, als man ihm das Augenlicht genommen hatte und er blind gewesen war. Seit einiger Zeit konnte er wieder sehen, das verdankte er seinem Freund John Sinclair, der dafür den Dunklen Gral als Gegenleistung hatte abgeben müssen.
Auf der geheimnisvollen Insel Avalon hatte er jetzt seinen Bestimmungsort gefunden.
Natürlich dachte Bloch an Sukos Anruf. Der Tod der Sinclairs wollte ihm einfach nicht auf dem Sinn. Er dachte dabei auch einen Schritt weiter und endete unwillkürlich bei John.
Auch ihn konnte der Fluch der Sinclairs treffen.
Der Felsen rückte näher!
Gewaltig, groß, hoch und auch breit. Nach Blochs Ansicht paßte er nicht in diese Gegend. Auf ihn und auch auf andere wirkte er wie ein Fremdkörper oder wie eine steingewordene Erinnerung an vergangene Zeiten. Allein der Anblick reichte aus, um die meisten Menschen abzuschrecken. Das fand der Abbé auch gut so, denn er und seine Templer-Freunde wußten mehr.
Er war schon so oft hier gewesen, um den Eingang
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