1006 - Das Palladium
dürfen, die damit nichts zu tun haben.«
»Wir mußten einen Schlußstrich ziehen. Über jedem, der das Palladium entweiht, liegt ein Fluch. Auch über deinem Namen. Wir wußten sehr gut, daß du dich auf den Weg machen würdest. Das hast du auch getan. Du bist gekommen, wir haben dich noch warnen wollen, deshalb sind deine Eltern in den Tod gegangen, aber du hast nicht gehört und weitergemacht.«
Ich schwitzte stark. Es war ein verdammt hartes Geständnis. Ich fragte: »Vielleicht habe ich nicht anders gekonnt. Habt ihr daran schon mal gedacht?«
»Du bist ein Mensch«, wisperte es mir aus dem Dunkel entgegen.
»Du bist ein Mensch, der nachdenken kann, und deshalb hättest du es wissen müssen.«
»Man gab mir das Schwert«, sagte ich.
»Das haben wir gesehen.«
»Es ist das Schwert des König Salomo. Es ist für mich so etwas wie ein Schlüssel. Nicht jeder hätte es bekommen. Also bin ich nicht irgend jemand, sondern schon auserwählt.«
»Wir wissen es.«
»Und warum wollt ihr mich töten? Warum habt ihr meine Familie ausgelöscht?«
»Es darf nichts erzählt werden!« flüsterte es aus dem Dunkel zurück. »Das Geheimnis muß gewahrt bleiben. Wir haben es über Generationen hinweg versprochen. Die ersten Wächter damals legten ihren Eid noch unter der Regentschaft König Lalibelas ab. In seinem Namen sind wir hier. Ihm fühlen wir uns verpflichtet, denn sein Geist ist unser Führer.«
»Dann gibt es ihn also noch?«
»Ja, denn auch er fühlt sich als Wächter und Beschützer der Lade. Er beobachtet. Er weiß über vieles Bescheid, und er hat wieder einen Platz gefunden.«
»Bei wem? Bei den Templern, die ebenfalls auf seiner Seite stehen, wie ich zu hören bekam?«
»Ja, auch sie sind mit ihm verbunden. Sie haben nichts vergessen, die alten Strukturen haben sich gehalten. Lalibela ist ein großer und mächtiger Herrscher gewesen. Er hat seine Spuren hinterlassen, und wir haben sie aufgenommen.«
»Arbeitet ihr mit den Templern zusammen? Seid ihr befreundet? Steht ihr auf derselben Seite?«
»Ja, das tun wir. Denn wir kennen die lauteren Absichten der Templer. Sie wollen nicht zerstören, sie wollen erhalten. Sie wollen in seinem Namen dienen.«
»Auch ich hatte nicht vor, euer Allerheiligstes zu zerstören«, sagte ich.
»Du bist ein Eindringling. Du bist zudem unwürdig. Wir wissen es, die Templer wissen es auch. Sie und wir sollen im Schutz des Palladiums, des Allerheiligsten, die Herrschaft des Königs erneut errichten. Das ist es, was wir wollen, und wir lassen uns von niemandem stören.«
»Auch von denen nicht, die euch nichts getan haben?«
»Ja.«
»Wie meine Eltern!« Bei diesem Satz schoß mir wieder das Blut in den Kopf.
»Wir mußten alles schon in den Anfängen stoppen, und deshalb haben wir sie getötet.«
Wieder durchströmte mich der Haß. Ich hätte schreien können. Ich hatte das Gefühl, daß mein Kopf dicht vordem platzen stand. Wieder sah ich das Bild vor mir, wie die Schatten sich an die beiden älteren Menschen herangeschlichen und sie brutal getötet hatten. Ich zwang mich zur Ruhe, atmete keuchend aus und nickte gegen die Schattenwand. »Aber ich habe die Stimme meines Vaters gehört. Das war keine Täuschung.«
»Hörst du nicht auch unsere Stimmen? Wir leben nicht mehr: Du brauchst dich nur umzuschauen, dann kannst du unsere Gebeine sehr deutlich sehen.«
»Dann gehört sein Geist zu euch?« fragte ich sofort, denn ich hatte sofort begriffen.
»Ja, so mag es aussehen. Aber es stimmt nicht ganz. Sein Geist wurde noch nicht integriert. Er ist nicht bei uns, denn er befindet sich in Lalibelas Gewalt. Der Geist des alten Königs und der deines Vaters sind eine Verbindung eingegangen. Er hat mit ihm gespielt, verstehst du das?«
»Ja, das begreife ich«, gab ich flüsternd zu. »Er ist so etwas wie ein Druckmittel gegen mich, wie?«
»Mach es, dir nicht zu leicht. Jedenfalls wollen wir nicht, daß die Würde und die Macht der Lade gebrochen wird. Auch du kannst es nicht schaffen. Du bist weit gekommen, aber nicht zu weit. Der letzte Schritt fehlt dir, und wir werden dafür sorgen, daß du ihn nicht gehst. Kein Fremder hat es jemals geschafft, in die Kapelle einzudringen. Du darfst dich deshalb glücklich schätzen, aber das ist auch alles. Glück und Tod liegen oft dicht beisammen. Du wirst es am eigenen Leibe erleben, denn du wirst hier sterben.«
»Durch euch?«
»Dein Vater ist auch durch uns gestorben.«
Das wußte ich, und ich überlegte, wie ich gegen
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