101 - Der Unheimliche aus dem Sarkophag
stehen
und sich in Gedanken verlieren.
Er hatte nie eine Universität besucht, als
Autodidakt hatte er sich weitergebildet, auf verschiedenen Forschungsgebieten.
Alles hatte ihn interessiert, und alles, was ihm ein Rätsel war, hatte er
versucht zu ergründen. Er verfügte über mehr Wissen und Kenntnisse als mancher
Universitätsprofessor.
Vor vielen Jahren hatte er davon gehört und
darüber gelesen, daß es eines Tages möglich sei, genaue Kopien von Menschen
herzustellen, die gelebt hatten. Dazu war nur notwendig, daß man über das
Gewebe des Verstorbenen verfügte, um daraus die Gene wiederzugewinnen. Lange
Zeit hatte ihn diese Arbeit fasziniert, ganze Tage und Nächte hatte er mit
theoretischen und praktischen Tierversuchen verbracht.
Sein großer Plan war von Anfang an gewesen,
aus dem verdorrten Gewebe einer Mumie eine Gewebezelle zu entnehmen und die
Gene daraus wiederzugewinnen, denn die Wissenschaftler der Welt waren sich
darüber einig, daß jede einzelne Zelle den Gesamtbauplan des ursprünglichen
Körpers enthalte. Sämtliche Informationen seien in jeder Zelle vorhanden ...
Von diesem Gedanken hatte er sich leiten
lassen, und er hatte ihn bestätigt gefunden.
Viele kleine Lebewesen, besonders Frösche,
hatte er durch künstliche Geburten entwickelt. Dann war der große Sprung
gekommen.
Der Zufall spielte ihm die Mumie von Nafri in
die Hände.
Das war der Startschuß!
Viele Zellen hatte er entnommen, sie dem Kern
einer fruchtbaren Eizelle eingepflanzt und dann der Dinge geharrt, die sich
normalerweise entwickeln mußten.
Monat um Monat hatten die Versuche gekostet.
Und es war nicht immer einfach gewesen, den Kern einer fruchtbaren Eizelle zu
erhalten. Auf Umwegen war er daran gekommen. Ein junger Medizinstudent, der
drogenabhängig war, hatte sie ihm aus dem Forschungslabor eines Pariser
Hospitals besorgt.
Dann endlich gelang es.
Die Zellen fingen an sich zu teilen. Ein
Zellenverband entstand. In einer gläsernen Gebärmutter konnte Mercier die
Entwicklung des Fötus beobachten.
Das lag siebzehn Jahre zurück.
Aus dem Fötus war ein Säugling geworden, aus
dem Säugling ein kleines Mädchen. Die Kopie der Pharao-Tochter Nafri lebte! Und
sie wuchs. Wie ein Kind heranwuchs.
Monate vergingen, Jahre.
Aus dem Kind wurde ein junge? Mädchen.
Niemand erfuhr von dem großartigen Geheimnis,
außer Roger Locon.
Aber der war schon von Anfang an dabei gewesen
und kannte als einziger das wunderbare Geheimnis, war sein Vertrauter.
Locon selbst war gewissermaßen mit ein Initiator.
Eines Tages - genau vierzehn Tage nachdem
Mercier den Sarkophag auf dem Flohmarkt erstanden hatte - war Locon hier
aufgetaucht.
Der damals dreißigjährige Locon war
Mitarbeiter in der ägyptologischen Abteilung des Louvre. Locon behauptete
gehört zu haben, daß Mercier einen Sarkophag erstand. Mercier wollte das erst
abstreiten, da er befürchtete, daß man ihm das alte Stück wieder abnahm, weil
es auf illegale Weise nach Frankreich, gekommen war. Aber dann hatte Locon zu
verstehen gegeben, daß es ihm nur darauf ankäme, den Sarkophag und die Mumie zu
untersuchen. Er wolle sein Wissen mit dem Merciers teilen und sei ganz und gar
nicht daran interessiert, dieses Geheimnis weiterzutragen. Niemand sonst wisse
auch, daß er Kenntnis davon erhalten habe, auf welche Weise der Sarkophag in
Merciers Besitz gelangt sei.
Locons Fachwissen kam ihm zugute.
Der kräftige Franzose mit dem kantigen,
ausdruckstarken Gesicht, hatte Untersuchungen mit dem Haar, den ausgezeichnet
erhaltenen Händen und Nafris Gebiß angestellt. Außerdem hatte er sich besonders
um eine Entzifferung der Hieroglyphen auf dem Sargdeckel und in den Innenteilen
befaßt. Mercier hatte immer wissen wollen, ob es sich auch um ein echtes Stück
handele oder um eine Fälschung.
Der Sarkophag war echt! Vor mehr als
viertausend Jahren existierte die Dynastie, der Nafri entstammte.
Die Mumie war erstaunlich gut erhalten, die
Hieroglyphen auf Deckel und Innenseiten jedoch offenbar nicht leicht zu
enträtseln. Mit manchen kam Locon zurecht, andere wiederum schienen ihm Mühe zu
bereiten.
Die beiden Männer waren zu Freunden geworden,
denn sie bargen das gleiche Geheimnis in ihren Herzen.
Merciers Versuche, aus dem vertrockneten
Gewebe neues Leben entstehen zu lassen, waren von Locon unterstützt worden.
Mit seiner finanziellen Hilfe war überhaupt
das meiste nur möglich gewesen.
Locons Eigeninteresse am Werdegang des
kopierten Lebewesens, das zu Nafri werden
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