101 - Der Unheimliche aus dem Sarkophag
sollte, war ungewöhnlich groß.
Er erhoffte sich dadurch ganz bestimmte
Mitteilungen und Hinweise. Sie würden vieles erfahren, wie das Leben in ferner
Vergangenheit sich abgespielt hatte. Vorausgesetzt, daß die Kopie die
Erinnerung des Originalkörpers übernahm. Obwohl kein Hirn mehr vorhanden war,
würde auch in jeder anderen Körperzelle der Bauplan des Hirns enthalten sein.
Fraglich war nur, ob die Erfahrungen, die dieses Hirn zu Lebzeiten gemacht
hatte, Spuren in der Gene hinterlassen hatte.
Locon hatte erkannt, daß die Mumie der Körper
einer jungen Frau war, die in jugendlichem Alter starb.
Er schätzte sie auf dreiundzwanzig.
Eine Bemerkung von Locon gab es, die Mercier
durch den Kopf ging, an die er erstaunlicherweise oft denken mußte. Wenn sie
dreiundzwanzig ist, haben wir erreicht, was wir wollten. Dann muß sie etwas
wissen, was sie zuvor noch nicht gewußt hat. So ganz konnte Mercier nichts
damit anfangen.
Manchmal, wenn er Locon beobachtete, fragte
er sich, was in dem großen Mann mit dem ausdrucksstarken Gesicht wirklich
vorging. Und dann kam es ihm sogar vor, als wäre Locon gar nicht der, für den
er sich ausgab.
Mercier mußte an die Bilder denken, die er
über das alte Ägypten hatte.
Wenn man Locon von der Seite her ansah,
glaubte er manchmal einen der alten ägyptischen Priester vor sich zu sehen.
Komisch, daß diese Gedanken ihm jetzt wieder
durch den Kopf gingen, während er seinen Blick nicht von der schlafenden
Schönen wenden konnte, die tief und gleichmäßig atmete.
Sie war siebzehn und voll entwickelt, sehr
anfällig und in einer fast sterilen Welt groß geworden. Die Umgebung kannte sie
so gut wie gar nicht.
Nur hin und wieder in all den zurückliegenden
Jahren hatten entweder Mercier oder Locon die bildschöne lebende Kopie der
Ägypterin in dunkler Nacht nach draußen geführt. Ansonsten lebte sie hier in
ihrem Glaskasten wie ein seltenes, zahmes Tier, das man beobachten und
bewundern konnte.
Nafri sprach nur wenig. Kaum, um es genau zu
sagen.
Sie war anders als ein Mensch, der normal
aufgewachsen war, und es kam Mercier so vor, als wisse die schöne Ägypterin
nicht, woher sie stamme und wohin sie gehöre. Stundenlang meditierte sie vor
sich hin. Manchmal war sie wie in Trance. In Trance war auch vor einigen
Monaten der furchtbare Zwischenfall passiert, und jedes Mal, wenn der Franzose
daran dachte, merkte er, wie es ihm eiskalt über den Rücken lief.
Nafri war zu einer Mörderin geworden, auf
eine Weise, die Mercier und Locon überrascht hatte.
Das Opfer war eine unschuldige junge Frau,
die Locon eines Tages brachte, und über die Mercier nichts Genaues wußte.
Die Tür zu dem gläsernen Gefängnis mußte
nicht ganz geschlossen gewesen sein. Unbemerkt mußte Nafri nach der Besucherin,
die sich sehr für das Experiment interessiert hatte, entwischt sein.
Unten im Hof war es dann passiert.
Mercier zuckte plötzlich zusammen. Seine
Augen wurden zu schmalen Schlitzen. Ein Geräusch vernahm man in der Wohnung.
Draußen war leise die Tür ins Schloß geschnappt.
Er riß sich los von Nafris Anblick.
„Roger?“ fragte er leise. Nur der konnte hier
gehen und kommen, wann er wollte. Roger Locon besaß die Wohnungsschlüssel.
Die Tarnwand war halb geöffnet. Mercier mußte
sie ein wenig weiter aufziehen, um nach draußen zu kommen. .
Er wollte jedoch noch schnell das indirekte
Licht löschen, das die Kulisse in diesem geheimgehaltenen Zimmer beleuchtete.
Man konnte nie wissen, ob Locon allein kam oder ob .. .
Plötzlich fuhr er zusammen. Etwas flog ihm
ins Gesicht. Wie eine stählerne Peitsche!
Mercier zuckte mit einem Aufschrei zurück.
Quer über sein Gesicht zog sich ein
daumenbreiter, blutender Streifen.
Der Getroffene stöhnte. Im ersten Moment sah
er nichts. Wie ein Schleier lag die Welt vor seinen Augen. Er fuhr mit
zitternder Hand übers Gesicht.
Was war das? Was für ein Ungetüm war in seine
Wohnung eingedrungen?
Narrten ihn seine Sinne?
Eine Mumie, die lebte?
Er atmete stoßweise.
Der Unheimliche kam auf ihn zu. Die dunkel
glimmenden Augenhöhlen, in denen es keine Augen mehr gab, waren auf den Sarg
gerichtet, wo der schwarzbraune Leib Nafris lag.
„Was willst du hier? Wer bist du? Wie ..Er
redete mit einer Stimme, vor der er selbst erschrak. Und sein Organ versagte!
Ak-Hom war so furchtbar anzusehen, daß er
kein Wort für die Angst und das Grauen empfand, das ihm die Kehle zuschnürte.
Die krustige, lederartige Hand, die großen
Löcher in
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