101 - Der Unheimliche aus dem Sarkophag
anderen
auch.
„Wenn wir in der nächsten Bar einen freien
Platz erwischen, lade ich dich ein zu einem Drink.“
„Du hast heute wieder deine Spendierhosen an,
wie?“
„Manchmal bringe ich mich vor Großzügigkeit
förmlich um. Das muß an der besonderen Luft liegen hier in Paris.“ „Riecht nach
Abgasen wie in New York auch“, erwiderte Morna Ulbrandson lakonisch.
„Kann ich nicht finden. Mich macht das Flair
hier immer ganz wild. Du bist unromantisch, Schwedenprinzessin.“
„Du bist auch in anderen Städten wild. Das
hat mit dem Benzingestank nicht das geringste zu tun.“
Die nächste Bar war besetzt.
Bei der übernächsten klappte es. Die lag
genau an der Straßenecke.
Ein einziger Tisch war frei. Larry und Morna
steuerten darauf zu.
Es herrschte ein anständiger Lärm. Eine
Musikbox plärrte, aber kein Mensch hörte zu. Jeder hatte jedem etwas zu
erzählen und einer übertraf den anderen an Lautstärke. Die Leute brüllten sich
an, um sich verständlich zu machen. Und dabei lachten sie noch. Es schien ihnen
Spaß zu machen.
Morna seufzte leise. „Du hättest mich auch
woanders hinführen können. Irgendwo, wo es weniger laut zugeht.“
„Ich hatte wenig Auswahl, sorry. Aber es ist
nur für kurze Zeit. Wollen doch mal sehen ...“
Was er sehen wollte, erfüllte sich.
Der Fremde, der seit vierzig Minuten hinter
ihnen her war, kam auch in die Bar.
Er durchquerte sie, steckte sich lässig eine
Zigarette zwischen die Lippen und stellte sich an die Theke. Einen freien
Hocker gab es dort nicht mehr, aber das störte ihn nicht. Er bestellte einen
Eiskaffee.
Eine Viertelstunde verging.
In der Zwischenzeit erhielten Larry und Morna
ihre Karaffe mit Rotwein. Er war mild und schmeckte ihnen.
Larry leerte sein Glas halb. Ihr Verfolger
trank seinen zweiten Eiskaffee. Der Lärm war noch immer beträchtlich. An eine
normale Unterhaltung war überhaupt nicht zu denken.
„Wir werden dafür bezahlt, daß wir etwas
tun“, murrte Larry. Morna verstand so gut wie nichts.
Er beugte sich über den Tisch und näherte
sein Mund ihrem Ohr. Dabei legte er seinen Arm um ihre Schultern. „Ich werde
jetzt die Initiative ergreifen“, er küßte sie aufs Ohr. „Er denkt, daß wir
schmusen - solche Jobs hab’ ich besonders gern. Wenn sich die Arbeit mit dem
Vergnügen verknüpfen läßt, dann bin ich der letzte, der sich sträubt. Ich geh’
nach draußen, mal sehen, wie hier die Toiletten aussehen. Muß doch endlich
wissen, was unser Freund eigentlich will. Vor allen Dingen müssen wir Gewißheit
darüber haben, auf wen er scharf ist. Auf dich oder mich! Bis gleich!“
Er löste sich von ihr, erhob sich drei
Minuten später und verließ den Raum.
Durch eine Seitentür verschwand er nach
draußen in einen Korridor, in dem eine nackte Glühbirne an der Decke hing.
Morna kramte in ihrer Handtasche und warf
einen Blick in den kleinen Spiegel, um ihre Frisur und ihr Makeup zu
überprüfen.
Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete sie
die Reaktion ihres Verfolgers an der Theke.
Er wurde unruhig. Mit einer nervösen Bewegung
stellte er seine Tasse auf den Unterteller zurück.
Der Fremde konnte nicht überall sein. Aber
offenbar erschien ihm die Person Larrys wichtiger als die Mornas.
Der Mann, der sie bis hierher verfolgt hatte,
verließ seinen Platz, ging durch die Hintertür und verschwand aus Morna
Ulbrandsons Blickfeld.
Die Toiletten befanden sich nicht im Haus.
Man mußte den Korridor verlassen und kam auf einen winzigen Hof, wo in einem
flachen, gemauerten Anbau
die Toiletten für Damen und Herren
untergebracht waren.
Roger Locon mußte um einen Mauervorsprung
herum.
Und da erwischte es ihn.
Wie ein Pilz aus dem Boden schießend, stand
Larry Brent plötzlich da. Er stach Locon seinen Zeigefinger in die Hüfte und
sagte gefährlich: „Keine Bewegung, Monsieur! Mir ist’s ernst. Ich glaube, es
ist an der Zeit, daß dieses Katz- und Mausspiel endlich zu Ende geht.
Normalerweise ist es doch so, daß die Polizei hinter dem Gangster her ist und
nicht umgekehrt. Da wollen wir ganz schnell die Dinge wieder richtig drehen.
Ich glaube, daß wir ein nettes Gespräch miteinander führen werden.“
●
Er hielt sich in der abgetrennten Kammer auf,
wo die Innenteile eines alten Sarkophags standen.
Jean Mercier wandte der eingeschrumpften und
ausgedörrten Gestalt in einem der Innenteile den Rücken zu. Er starrte auf die
schöne Ägypterin im Glaskasten.
Stundenlang konnte der Franzose hier
Weitere Kostenlose Bücher