101 - Gangster in London
zur Tür. »Wer ist da?« fragte sie vorsichtig.
»Kann ich Sie einen Augenblick sprechen? Es ist sehr wichtig!« Tanners Stimme!
»Ich bin ganz allein in der Wohnung, Mr. Tanner. Es tut mir leid, daß ich Sie nicht hereinbitten kann.«
»Aber es ist wirklich äußerst dringend!« Zögernd schob sie den Riegel zurück und öffnete. Edwin Tahner trug elegante Abendkleidung, zeigte aber nicht sein gewohntes selbstsicheres Wesen, sondern schien ziemlich aufgeregt. »Ich werde hier bleiben«, sagte er und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür. »War heute eine Dame bei Ihnen, die sich Mrs. Smith nannte? Und hat sie Ihnen etwa angeboten, als Sekretärin für ihren Mann zu arbeiten?«
»Ja. Und ich habe zugesagt, daß ich Mr. Smith morgen aufsuchen würde.«
»Weitere Fragen richtete sie nicht an Sie? Nein...? Nun, das war alles, was ich wissen wollte, Miss Ranger. Es ist mir peinlich, daß ich Sie so spät noch gestört habe. Aber ich halte es für besser, daß Sie nicht zu diesem Smith gehen; es würde Ihnen dort nicht gefallen... Hat Sally Ihnen übrigens von ihren früheren Eheabenteuern erzählt?« Sie sah ihn erstaunt an. »Sie nannte sich vermutlich Cora?« fuhr er fort. »Sally ist ihr richtiger Name.«
»Kennen Sie die Dame so gut?«
Er nickte und lächelte dann. »Ich glaube schon... Bis vor acht Jahren waren wir nämlich miteinander verheiratet!«
»Verheiratet? Aber sie ist doch fast noch ein junges Mädchen!« »Achtunddreißig Jahre sind ein ziemliches Alter für ein junges Mädchen. Ich würde an Ihrer Stelle den Posten nicht annehmen, Miss Ranger. Es ist nur ein Vorwand; denn Kerky braucht keine Sekretärin. Sally war eine der besten Stenotypistinnen in Chikago, bevor sie verschiedene Gangster kennenlernte. Ach, entschuldigen Sie!« sagte er hastig. »Ich habe da eben einen Slangausdruck gebraucht... Ich wollte eigentlich sagen: bevor sie mit der Unterwelt bekannt wurde... Ja, Sie würden es niemals ahnen, Miss Ranger, aber ich habe früher mal eine halbe Million Dollar an diese Sally verschwendet. Damals war sie brünett und noch nicht so hergerichtet. - Aber nun habe ich erfahren, was ich wissen wollte, und möchte mich jetzt verabschieden...« Er legte die Hand auf die Klinke, blieb jedoch reglos stehen. Sie fühlte die Spannung in seiner Haltung, obwohl sie sein Gesicht nicht sehen konnte. »Stimmt etwas nicht?« Er hob die Hand, und sie schwieg. Plötzlich wandte er sich um und zeigte nach links. Sie verstand, daß sie ins Wohnzimmer gehen sollte. Merkwürdigerweise gehorchte sie, ohne zu fragen.
Als sie außer Sicht war, hörte sie das leise Geräusch, das durch das öffnen der Tür entstand, und dann vernahm sie Eddie Tanners Stimme: »Hallo, mein Junge! Was hast du denn hier zu tun?«
»Ach, Ed, ich wollte einen meiner Freunde besuchen, der hier im Haus wohnt... Aber stecken Sie doch den Revolver weg, Mensch!«
»Stell dich dort an die Wand und strecke die Hände so hoch wie du kannst!«
Ein langes Schweigen... Dann wieder Tanners Stimme: »Wozu hast du das mitgebracht, wenn du deinen Freund besuchen wolltest?«
»Aber, Ed, man kann doch in London nicht vorsichtig genug sein! Gewöhnlich trage ich nie ein Schießeisen bei mir.«
»Du wirst keines mehr bei dir tragen! Geh jetzt geradeswegs zum Fahrstuhl! Ich bleibe dicht hinter dir. Mein Wagen wartet hinterm Haus. Wir werden zusammen ausfahren und uns noch ein bißchen unterhalten.«
Leslie hörte, daß die Tür geschlossen wurde. Gleich darauf kam der Lift nach oben.
Die erste Nacht in der neuen Wohnung schlief Leslie fest und tief, und als sie am nächsten Vormittag aufwachte, zeigte die Uhr neben ihrem Bett zehn Minuten vor zwölf. Sie glaubte es erst, nachdem sie einen Blick auf ihre Armbanduhr geworfen hatte. Dann erinnerte sie sich an die Verabredung mit Albuquerque Smith und an Eddie Tanners Warnung. Sie überlegte noch, ob sie gehen oder bleiben sollte, als sie bereits angezogen war und die erste Tasse Tee trank. Um ein Uhr sah Mr. Albuquerque Smith auf die Uhr. »Die Dame kommt nicht!«
Seine Frau schüttelte den Kopf. »Sollte man das annehmen, von einem solchen Mädchen? Ich glaube, die hat kein einziges elegantes Kleid...«
»Ich möchte nur wissen, ob sie gestern noch mit Ed gesprochen hat... «
Sie schaute ihn erstaunt an. »Weißt du denn das nicht? Ich dachte, du wüßtest alles, was Ed unternimmt.«
Er lächelte boshaft. »Einer meiner Leute beobachtete ihn, aber ich hab' nichts mehr von ihm gehört... Ist
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