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101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)

101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)

Titel: 101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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seiner Stirn zu pflücken – gemeint ist: von der Stirn des Alten – , sah er fünf Stufen vor sich. Er stieg auf die erste Stufe.
    Da richtete sich der Alte auf dem Thron auf und saß nun kerzengerade vor ihm. Als er die zweite Stufe betrat, klappte der Alte das Buch zu. Sobald er auf der dritten Stufe zu stehen kam, streckte der Alte seine Hand aus, ergriff einen Bogen und stellte ihn zu seiner Linken ab. Er trat auf die vierte Stufe. Da nahm der Alte einen Pfeil und legte ihn in den Bogen ein. Und als er auf der fünften Stufe stand, begann der Bogen zu vibrieren, und die Füße des Alten setzten sich in Bewegung. Er wich zurück. Nach einer Weile näherte er sich erneut und mit zitternden Beinen. Der Alte aber, der auf dem Thron saß, erhob sich, richtete den Bogen auf ihn und durchbohrte ihn mit dem Pfeil. Leblos fiel er auf die Stufen nieder.
    Als der junge Mann das sah , begann er um sein Leben zu fürchten. Er trat zu dem Scheich hin, um ihn sich anzusehen. Da kroch unter dem Thron ein Löwe hervor und stürzte auf ihn zu. Bei diesem Anblick sank der junge Mann in Ohnmacht.
    Als er wieder zu sich gekommen war, sprang er auf und machte sich daran, den Koran zu rezitieren. Während er gerade dabei war, hörte er eine Stimme die folgenden Verse singen:
    «Eines musst du wissen, Fremder! Niemals stünden deine Füße
    Noch am Boden, hättest du nicht den Koran laut vorgetragen.
    Denn du bist in einem Lande, wo die Dschinnentöchter herrschen
    Und wo sie mit ihren Waffen jeden Rittersmann erschlagen.
    Einen Rat kann ich dir geben, dem der kluge Mann zu folgen
    Hat, solang sein Leben währt in guten wie in schlechten Tagen:
    Sei zufrieden mit dem Glück, das dir das Leben zugemessen,
    Und nun kehre schleunigst um und fliehe! Das will ich dir sagen.»
    Es wird erzählt:
    Als er die Stimme gehört hatte, nahm er von den Rubinen und Perlen, was leicht an Gewicht, aber schwer an Wert war, eilte zum Schiff und lud die Schätze darauf. Er schloss das Palasttor fest zu, kehrte zurück zu dem Ort, wo sich die Schraube befand, und drehte an ihr. Die Brücke bewegte sich in ihre ursprüngliche Stellung zurück. Zuletzt legte er die Schlüssel wieder in die Götzenstatue. Dann begab er sich aufs Schiff und fuhr über die hohe See, bis er Basra erreichte. Dort ging er von Bord, verteilte sein Geld, ließ die Sklaven frei und lebte hinfort vergnügt, aß und trank sich satt an den köstlichsten Speisen und Getränken, bis ihn das sichere Ende ereilte.

Die Geschichte von Suleiman Ibn Abdalmalik Ibn Marwân
    ~ Die Leute behaupten, o König, fuhr sie fort zu erzählen, ~ dass Suleiman, der Sohn des Kalifen Abdalmalik, schon im Alter von sieben Jahren Weisheitssprüche und Gedichte verfasste und jede erdenkliche Weisheit verkündete . Auch beherrschte er bereits das Reiten, das Pfadfinden bei Nacht, das Lanzenstechen und das Schwertschlagen, ferner den Zweikampf gegen ebenbürtige Gegner. Sogar zur Löwenjagd zog er aus und brachte Löwen und andere wilde Tiere zur Strecke. Kurzum: Es war ein wahres Wunder aus ihm geworden. Als er sein sechzehntes Lebensjahr erreicht hatte, konnte er mit seinen ausgestreckten Armen einen weiten Klafter abmessen, und seine Elle war kräftig geworden. Dabei war er so hübsch, dass man ihn für das schönste Geschöpf Gottes halten musste.
    Sein Vater blickte ihn an und sprach zu ihm: «W as wünschst du dir von mir, mein lieber Sohn?»
    «Ich wünsche mir von dir», entgegnete jener, «dass du ein Schloss für mich baust und darin Flüsse fließen lässt und Obstbäume pflanzt.»
    «Aber gewiss, mein Söhnchen», willigte der Vater ein. Er rief sämtliche Baumeister, Zimmerleute und Handwerker zusammen, und sie bauten ihm ein Schloss, schöner als alles, was jemals ein Auge gesehen hatte.
    Als das Schloss fertig war und sie beide gerade das strahlende Weiß des Marmors bewunderten, erschienen plötzlich in der Luft zwei Raben. Die Raben kämpften miteinander, bis sie tot in den Schlosshof stürzten und ihr Blut sich auf den weißen Marmor ergoss.
    Da sprach Suleiman zu sich selbst: «Ob Gott wohl ein Mädchen erschaffen hat von strahlender Schönheit, mit einem Leib so weiß wie dieser Marmor, mit Haaren so schwarz wie die zwei Raben und Wangen so rot wie deren Blut?» Diese Gedanken machten sich in seinem Herzen Raum.
    An dieser Stelle unterbrach das Morgengrauen Schahrasad , und sie verstummte. Der König erhob sich, entzückt von ihrer spannenden Geschichte, verschloss die Tür, versiegelte sie

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