101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)
Scheich . «Ich werde dich zu einem reichen Mann machen und dich von der Insel fortbringen.»
Da zog der junge Mann ihn heraus, band seine Fesseln los und gab ihm von dem, was er auf der Insel gefunden hatte, zu essen und zu trinken.
Der Scheich ließ sich nieder, um sich von der Tiefe des Brunnenlochs zu erholen. Er verbrachte drei Tage mit ihm auf der Insel. Am vierten Tag sah der Scheich, wie sich die ganze Insel mit weißen Vögeln bevölkerte. «Freue dich!», wandte er sich an den jungen Mann, «denn morgen früh wird jemand kommen, der uns von dieser Insel fortbringt, so Gott will.»
An dieser Stelle unterbrach das Morgengrauen Schahrasad , und sie verstummte. Der König erhob sich, entzückt von ihrer spannenden Geschichte, verschloss die Tür, versiegelte sie mit seinem Siegel und begab sich in seine Regierungsgemächer.
Die fünfundzwanzigste Nacht
Er spricht:
Und in der folgenden Nacht kam der König, brach das Siegel auf und schlief mit dem Mädchen bis zu der bewussten Zeit.
Da rief ihre Schwester Danisad ihr zu: ~ Ach, meine Schwester! Ach, Schahrasad, erzähle doch unserem Herrn, dem König, deine schönen Geschichten!
~ Einverstanden, erwiderte sie. ~ Und so, mein Gebieter, geht die Geschichte weiter:
«W oher weißt du das?», fragte der junge Mann, als er den Scheich das sagen hörte.
«Ich kenne das Verhalten der Vögel», entgegnete der. «Und als ich gesehen habe, wie sich die Insel mit Vögeln bevölkerte, wusste ich: Es kommen Menschen hinterher.»
Und tatsächlich: Am nächsten Morgen füllte sich die Insel mit Schiffen und Booten. Die beiden gingen auf die Ankömmlinge zu und berichteten ihnen, was ihnen zugestoßen war. Der junge Mann erkundigte sich, warum sie gerade auf dieser Insel an Land gingen.
«Der Wind hat uns zu der Insel getrieben», erklärten ihm die Ankömmlinge. Sie blieben nun einige Tage dort, dann stiegen sie wieder auf ihr Schiff und fuhren übers Meer, bis sie eine Stadt erreichten.
Der Scheich nahm den jungen Mann an der Hand und ging mit ihm zu einer Herberge. Dort mietete er die Wohnung auf dem Dach. Gleich nachdem er sie bezogen hatte, schrieb er einen Brief und übergab ihn dem jungen Mann mit dem Auftrag: «Geh zu dem und dem Ort und überbringe den Brief dem Soundso.»
Als der Brief bei seinem Adressaten eingetroffen war und jener ihn gelesen hatte, fragte er: «W o ist der Schreiber dieses Briefs?»
«Er befindet sich in der Stadt», entgegnete der Wesirssohn.
«Ich will ihn sehen», sagte der andere, und er führte ihn zu dem Scheich.
Als der ihn sah, fiel er ihm um den Hals, und die beiden begrüßten einander herzlich. «Mein geliebter Herr und Meister», sagte der andere junge Mann , «Ich hätte nicht geglaubt, dass du noch am Leben bist.»
Der Scheich brachte ihm zu essen und zu trinken, und jener aß davon. Dann unterhielten die beiden sich lange. «W ie ist es dir mit dem neuen König ergangen?», wollte der Scheich wissen .
«Er tyrannisiert seine Untertanen», seufzte der andere. «Er ist von wankelmütiger und unaufrichtiger Wesensart.»
«Geh ein Schiff für mich kaufen», bat ihn der Scheich .
«Gewiss», sagte der andere.
Nun war der Scheich wieder allein mit dem Sohn des Wesirs. «Muhammad», sagte er zu ihm, «geh auf den Markt und kaufe mir einige Ratl rotes Kupfer.»
Der junge Mann begab sich zum Markt und brachte ihm das Gewünschte.
«Jetzt bring mir Holzkohle», fügte er hinzu, und jener schaffte sie herbei.
Der Scheich entzündete die Kohle auf dem Kupfer, bis es weißglühend war. Dann holte er ein Pulver hervor und warf es darauf, und das Kupfer verwandelte sich in Gold.
In diesem Moment kam der andere junge Mann zurück und rief dem Scheich zu: «Die Sache ist erledigt, ich habe ein Schiff für dich gekauft!»
Der Scheich gab ihm das Gold, und er ging damit davon. Er war für eine Weile verschwunden, und als er wiederkam, gab ihm der Scheich einige Silbermünzen.
«Kaufe Wegzehrung und was wir sonst noch brauchen», trug er ihm auf, und jener kaufte Wegzehrung und allerhand Ausrüstungsgegenstände, deren Aufzählung hier zu lange dauern würde, dazu Sklaven als Matrosen für das Schiff. Dann kam er zurück und erstattete Bericht über seine Einkäufe.
Der Scheich ergriff die Hand des Wesirssohns und führte ihn zum Schiff. Sie gingen an Bord. Der andere junge Mann entfernte sich, nachdem er sich von ihnen verabschiedet hatte.
Nun wandte sich der Scheich dem Sohn des Wesirs zu. «W enn du geduldig bist»,
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